Es duftet nach Holzkohlenfeuer, gegrilltem Fleisch und Glühwein. In der alten, geräumigen Markthalle aus rotem Backstein drängen sich die Leute vor langen Tischen. An ihnen werden Stopfgänse, Enten sowie Foie gras feilgeboten. Von der Decke hängen zwei Schweinehälften herunter. Neben ihnen rührt Cécile Wurstbrät an. Ein Akkordeonspieler mit schwarzer Baskenmütze und klobigen Holzschuhen unterbricht seine Melodien häufig. Um Freunde zu begrüssen.
Die «Foire du gras» und die «Fête de cochon» ziehen Menschen aus der ganzen Region in die Kleinstadt Mazères am Fusse der Pyrenäen, 60 Kilometer südlich von Toulouse. Nach traditionellen Rezepten stellen Metzger vor den Augen der Besucher Würste und andere Spezialitäten vom Schwein her. Die Neugierigen dürfen gratis probieren und einen Glühwein gibt es dazu. Denn bei diesem Marktfest geht es nicht so sehr ums Verkaufen. Sondern um die «convivialité».
Das Fernsehen ist schuld
Raymond steht in roter Schürze vor einem Drahtzylinder, der sich über dem offenen Holzfeuer dreht. Er röstet Maroni. So wie früher. Hier wird die bäuerliche Tradition gepflegt. Nicht nur die des Handwerks: auch die des Zusammenrückens.
Märkte wie dieser in Mazères hätten nichts mit ihren kommerziellen Namensbrüdern in grossen Städten gemein, erklärt der 68-Jährige. Hier sei man unter Freunden, man unterstütze sich gegenseitig. Es sei ein bisschen wie früher, als man in den kalten, langen Winternächten zum Kastanienrösten und Geschichtenerzählen in den Dörfern zusammenkam. Raymonds Augen blitzen verschmitzt unter der roten Baskenmütze. «Damals gab es keine Fernseher und all das. Man traf sich bei den Nachbarn. Das Fernsehen hat vielen Dingen ein Ende bereitet.»
Maroni und Millas
Etwas wehmütig erinnert sich auch Henri an die Zeit des winterlichen Miteinanders in seinem Dorf. Die jungen Männer in Belloc trafen sich mal beim einen, mal beim anderen Nachbarn zum Maiskolben schälen – abends nach der Arbeit. «Es gab hausgemachten Wein dazu, und wir arbeiteten oft bis ein Uhr nachts. Danach assen wir gemeinsam. Meist gegrillte Maroni und zum Nachtisch Millas – eine Art Maispolentaschnitte.»
Henri lacht vielsagend: «Und zum Schluss wurde es ziemlich fröhlich bei Kaffee und selbstgebranntem Pflaumenschnaps.» Dem heute 80-Jährigen fehlen diese gemeinsamen Abende. Deshalb ziehe es ihn zum Marktfest in Mazères. Da finde er etwas von dieser Stimmung wieder.
Kalte Welt, heisser Grill
Besucher wie Jacques und seine Frau kommen auch jedes Jahr zur «Foire du Gras». «Es ist schön, die Leute fühlen sich wohl, sie probieren, was sie wollen und treffen Freunde.» Die Formel geht auf: Die Gäste wie diejenigen, die die leckeren Häppchen anbieten, geniessen den Tag. An allen Ständen erzählt man einander Geschichten, es wird gescherzt und viel gelacht.
Dem Bürgermeister von Mazères, Louis Marette, liegt es am Herzen, diese Traditionen des alten «savoir faire» und des geselligen Miteinanders zu pflegen. Natürlich müsse man auch die Zukunft planen, so Marette. «Aber wir brauchen das Festhalten an den Bräuchen der Vergangenheit. Insbesondere vielleicht weil man uns dieser Form des Zusammenrückens beraubt hat: in einer Welt, die immer inhumaner und unpersönlicher wird. Die uns mehr trennt als eint.»
In dieser düsteren Zeit der besonders langen Nächte ist es den Menschen am Fusse der Pyrenäen deshalb mehr denn je ein Bedürfnis, zusammen zu kommen, zu teilen und zu feiern.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.12.2015, 16:45 Uhr