SRF: Was ist das Absurdeste, das Sie je entsorgen mussten?
Ariel Soto: Einst entdeckte ich eine blutverschmierte Tüte mit Knochen. Sie fühlte sich geleeartig an. Als Müllmann war ich natürlich neugierig. Ich öffnete die Tüte und fand darin das Bein eines Menschen. Ich bekam Angst und rannte fluchtartig davon. Wie sich später herausstellte, wurde der Körperteil zuvor im Unterricht der Medizinstudenten verwendet.
Welchen Gegenstand aus ihrem Besitz würden Sie nie wegwerfen?
Als ich 18 Jahre alt war, schenkte mir meine Mutter eine Halskette aus Gold. Heute kann ich sie leider nicht mehr tragen, es wäre zu gefährlich. Stattdessen bewahre ich die Kette zuhause auf. Wegwerfen könnte ich sie nie.
Auch alle Geschenke meiner beiden Kinder bedeuten mir viel. Solange sie nicht erwachsen sind, werde ich mich davon nicht trennen.
Wie sind Sie Müllmann geworden?
Der Nachbar meiner Mutter war Beauftragter eines Recycling-Unternehmens. Er bot mir einen Job an. Zuerst lehnte ich ab. Kurze Zeit später aber bereute ich meinen Entscheid und nahm das Angebot an.
Auf was sind Sie stolz in ihrem Beruf?
Auf alles: Ich bin stolz, auf der Strasse zu sein und das Quartier zu kennen. Wenn ich putze, begegne ich meist immer den gleichen Leuten. Sie grüssen mich, nicht alle, aber die Menschen mit Herz.
Einige laden mich zum Kaffee oder einem kühlen Glas Wasser ein. Wenn es regnet, darf ich sogar in ihrem Haus warten, bis es aufhört. Für mich ist mein Arbeitsort wie mein zweites Zuhause.
Wie verbringen Sie ihre Freizeit?
Wenn ich nicht arbeite, bin ich Zuhause bei meiner Familie. Es gibt nichts Schöneres. Ich habe zwei Söhne – drei und sieben Jahre alt. Im März erwarten meine Frau und ich einen weiteren Sohn.
Was gefällt Ihnen an Buenos Aires?
Unsere Hauptstadt ist grossartig. Man muss sich nur zurecht finden. Ich habe Buenos Aires durch die Arbeit kennen gelernt. Eigentlich komme ich aus Morón, einem Vorort. Als ich mit 20 Jahren anfing, in Buenos Aires zu arbeiten, war mir die Stadt fremd. Heute kenne ich alles: Puerto Madero, Recoleta, La Costanera, alles Dank meines Jobs. Sonst hätte ich hier mit Müh und Not wohl nur den Papierkram erledigen können.
Welchen Wunsch haben sie für ihre Zukunft?
Ich wünsche mir, dass meine Kinder glücklich aufwachsen, dass sie eine Zukunft haben. Durch meine Arbeit versuche ich, ihnen das zu ermöglichen. Sie besuchen eine Privatschule und ich erinnere sie ständig daran, zu lernen. Ich hoffe, noch lange leben zu dürfen, um sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Wieviel verdienen Sie im Tag?
Ich verdiene pro Monat 20'000 Pesos (umgerechnet 1'300 Franken). Durch Überstunden und Arbeit an Feiertagen verdiene ich mir etwas dazu. Sonntags aber arbeiten meist nur die Neuen.
Das Gespräch führte Viveca Kammermann.