Während Gregers Larsen mit mir plaudert, bereitet er sein Abendessen zu. Er nimmt eine Tüte Puder, schüttet drei Esslöffel davon in einen Schüttelbecher, giesst etwas Wasser dazu, schüttelt. Fertig. Wenn wir uns eine Stunde später verabschieden, wird er rund 690 Kalorien zu sich genommen haben. Darunter rund 86 Gramm Kohlenhydrate, rund 44 Gramm Eiweiss und 17 Gramm Fett. Vitamine, Mineralien, Zink – alles drin.
Täglich drei Portionen Puder und Wasser
«Es kommt der perfekten Ernährung am nächsten», sagt Gregers, ein 25-jähriger Ingenieur aus Kopenhagen. Sähe sein Nachtessen nicht oft so aus, er wäre ein völlig normaler Mittzwanziger. Er liebt es mit Freunden in Clubs und Cocktailbars zu gehen, macht Sport, klettert oder kayakt.
Doch seine Ernährung unterscheidet ihn von seinen Freunden. Vor ein paar Monaten hat er fester Nahrung gar ganz abgeschworen. Für 30 Tage, so lange trank er täglich drei Portionen Puder und Wasser, und nichts anderes.
Ausgeglichener, und besserer Schlaf
Diese neue Art der effizienten Ernährung wurde vor etwas mehr als einem Jahr bekannt, als das gut finanzierte Start-up Soylent aus dem Silicon Valley auf PR-Tour war. Soylent stellt Puder her, das mit Flüssigkeit vermischt zu einer Mahlzeit wird mit allen Nährstoffen, die Menschen brauchen. Es wirkte wie einer dieser Trends, die bald vorübergehen. Doch seither sind Nachahmer wie Pilze aus dem Boden geschossen: Schmoylent, KetoSoy, Super Body Fuel sind nur einige Beispiele.
Gregers kaufte sich Joylent, eine europäische Alternative. «So ab Mitte zwanzig merkst du stärker, was dir gut tut und was nicht. Kater vom Alkohol werden schlimmer. Wenn du fettig isst, fühlst du dich tagelang schwer. Ich habe da einfach mehr darüber nachgedacht, und wollte das ändern.» Am Ende des Experiments notierte er seine Erfahrungen in einem Blogpost. Er hätte sich fokussierter, ausgeglichener gefühlt und besser geschlafen. Und sechs Kilo verloren.
Unschlagbar billig
Seine Freunde hielten ihn natürlich für verrückt. Und auch Gregers selbst merkte, dass Essen eben mehr ist als nur Nahrung. Nur Tage vor dem Start seines Experiments hatte er eine Frau kennengelernt. «Die Beziehung starb irgendwie.» Er hatte nämlich auch dem Alkohol abgeschworen. «Da bleibt nicht viel, was man auf einem Date tun kann. So vieles hat mit Essen und Trinken zu tun.»
Dennoch hat er die Puder-Nahrung nicht ganz aufgegeben, und in den paar Monaten seitdem eine weitere Lieferung verputzt und eine frische bestellt. «Heute, wenn ich Joylent esse, mache ich das, weil die Alternative etwas Schlechteres wäre.» Er nennt es «Stress-Fressen», Pizza, Burger und jede Menge Süssgetränke. «Wenn die Zeit fehlt, oder – wie damals als ich noch Student war – auch das Geld, isst du wahrscheinlich etwas Schlechtes.» Ein weiterer Punkt: Die Puder-Nahrung ist auch unschlagbar billig. 2 Euro pro Mahlzeit, bei Grossbestellungen sogar weniger.
Mal wieder was Richtiges essen
Gregers ist Ingenieur beim dänischen Staat in der Förderung erneuerbarer Energien. Bald muss er für seinen Job mehr reisen. Und genau wie er heute in seinem Büro immer eine Packung Joylent hat, wird er das auch auf Reisen mitnehmen. Flugzeugessen wolle er sich einfach nicht antun.
Beitrag zum Thema
Er ist überzeugt, dass er bald keine Ausnahme mehr ist mit seiner Vorliebe für Pudernahrung. «Diese Art der Ernährung hat auch einen sehr kleinen ökologischen Fussabdruck», sagt er. «Das wird in Zukunft ein immer wichtigerer Faktor.»
Mittlerweile ist Gregers aber auch ganz froh, kann er sich im Restaurant auch mal etwas Richtiges zu essen bestellen. Gerade hat er nämlich wieder eine Frau kennen gelernt. Dieses Mal soll das Essen nicht mehr im Weg stehen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 3.8.2015, 17:15 Uhr