Für Migrantinnen und Migranten, die schon lange in der Schweiz leben, war der Abstimmungssonntag ein Dämpfer. Ernüchtert stellen sie fest: Das Ergebnis betrifft nicht nur das Thema, wie man die Einwanderung in Zukunft regulieren soll. Viele Menschen aus dem Ausland, die seit Jahren in der Schweiz arbeiten, zum Wohlstand beitragen, sich engagieren in Vereinen, in Parteien, in ihrem sozialen Umfeld, fühlen sich angesichts der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vor den Kopf gestossen.
Gülsen Güler (41), diplomierte Pflegekraftfrau und seit 20 Jahren in der Schweiz, meint lapidar: «Ich bin sehr unglücklich, wütend und habe jetzt weniger Freude und Motivation hier zu sein, zu arbeiten, Leistung zu bringen und zu leben.» Die frühere Zürcher Gemeinderatspräsidentin Fiometta Jahreiss, 1978 in die Schweiz eingewandert, empfand schon die Diskussion im Vorfeld der Abstimmung als persönlich beleidigend.
Menschen werden wieder zu Zahlen
Die Abstimmung und deren Ergebnis hat aus Menschen wieder Zahlen gemacht. Einzelteile eines Kontingents, die berechnet werden, hin- und hergeschoben, kalkuliert – Partikel eines marktwirtschaftlichen Systems, das Menschen nur nach Arbeitskraft beurteilt. Wen brauchen wir? Und wie viele brauchen wir, damit Wirtschaft und Wohlstand weiterhin prosperieren? Das irritiert und verletzt auch die, die schon lange in der Schweiz leben, obwohl das Ergebnis der Abstimmung auf ihr Leben kaum Auswirkungen haben wird.
Dennoch sind sie verunsichert, getroffen. Sie stellen sich die Frage: Worüber wurde hier abgestimmt? Was waren die Motive der Stimmbürger? Allgemeine diffuse Fremdenfeindlichkeit, wirtschaftliche Eigeninteressen, Rassismus, Angst? War es ein Votum gegen Einwanderung? Ein Zeichen gegen eine Gesellschaft, in der Menschen, die nicht aus der Schweiz stammen, Heimat finden können, ein Zuhause, ein Netz, Familie, Freunde?
Vier Antworten – vier Geschichten
Gülsen Güler, Fiammetta Jahreiss, Margot Ziehmann und Ivica Petrušic kamen vor Jahren aus der Türkei, Italien, Deutschland und aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Schweiz. Sie engagieren sich sehr stark in ihren jeweiligen Lebensbereichen, in ihren Gemeinschaften. Sie sind aktive Teile der Schweizer Gesellschaft. Wir stellten ihnen die einfache Frage: Was ist Heimat für sie?