Barack Obama besucht Kuba. Nach 88 Jahren reist wieder ein amerikanischer Präsident auf die Karibikinsel. Dass sein Besuch historisch sei, einen Wendepunkt markiere, ein Zeichen der Hoffnung sei – das haben alle Kommentatoren geschrieben.
Und alle betonen, dass hier ein weiteres Kapitel des langen Kalten Krieges geschlossen werde. Ein langandauernder, kriegsähnlicher Zustand zwischen den USA und Kuba, der mit der kubanischen Revolution einsetzte und der sich mit der sogenannten Kubakrise um ein Haar in einen Atomkrieg auswuchs. Eine Blockadepolitik, unter der viele gelitten haben, allen voran die zerrissenen Familien, die vielen Menschen, die übers Meer in die USA flüchteten; viele sind auf dieser Route gestorben.
Eine neue Ära
Nun soll das alles ein Ende haben. Barack Obama wird bei seinem Besuch den Weg ebnen für eine Normalisierung zwischen den USA und Kuba. Das heisst vor allem: den Handel in Gang setzen. Bereits warten hunderte amerikanische Unternehmen darauf, in und mit Kuba Geschäfte zu machen. Das Internet, die Medien, die Infrastruktur – Kuba verspricht satte Gewinne.
Die Kubanerinnen und Kubaner freut das, bei aller Befürchtung, dass bald in Havanna, wie anderswo auf der Welt, an der einen Ecke ein Starbucks stehen wird, an der anderen ein McDonalds.
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Immer noch Pläne, Guantánamo zu schliessen
Einen Ort aber wird Barack Obama nicht besuchen: das Gefangenenlager Guantánamo Bay. «Das wird nicht Teil seiner Reise sein», sagte der stellvertretende Sicherheitsberater Ben Rhodes vor knapp einer Woche. Und er sagte auch, Barack Obama habe keine Pläne, das Gefangenenlager an Kuba zurückzugeben.
Immerhin aber hat der amerikanische Präsident Ende Februar einen Bericht vorgelegt, wie er das Lager schliessen will. 35 der gerade noch verbleibenden 91 Gefangenen sollen in Drittländer verlegt, der Rest soll in amerikanische Gefängnisse überführt werden.
Barack Obama möchte damit – noch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit – sein Wahlversprechen von 2009 einlösen. Er betonte, das Lager diene heute nur noch Terroristen «zur Propaganda», und es stelle eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA dar.
Die Achse des Bösen bleibt
Doch die Republikaner sperren sich. Sie verweigerten dem Präsidenten immer wieder die Mittel, um Guantánamo abzuwickeln, und auch die republikanischen Kandidaten für das Präsidentenamt äusserten sich überdeutlich.
Es werde unter seiner Präsidentschaft für Terroristen keine Gerichtsverfahren geben, kündigte Senator Marco Rubio an, «sie werden nach Guantánamo geschickt». Und Ted Cruz sagte, «lasst uns ein paar Gefangene mehr» in Guantánamo halten, als wäre es eine Einladung.
Barack Obamas Reise nach Kuba macht deutlich, dass die Achse des Bösen in den neokonservativen Köpfen der USA fortbesteht. Der Terror wird weiterhin benutzt, um die Nation als bedroht und gefährdet emporzustilisieren, ein Land, das sich in innerer und äusserer Abwehr befindet. Und Guantánamo, das Lager mit den Gittern und den Männern in orangenen Anzügen, bleibt Symbol und Fanal für das «Böse», das es zu bekämpfen gilt.
Nach wie vor Drohnen und Kollateralschäden
Der amerikanische Präsident mag mit seiner Reise nach Kuba ein Kapitel des Kalten Krieges abschliessen, wenigstens teilweise. Mit einem anderen Kapitel ist er kläglich gescheitert: mit dem Versuch, die USA zu einem Land des Ausgleichs und der Vermittlung zu machen; zu einer Nation, die den Terror nicht mehr zu fürchten hat.
Dafür hätte er sich an anderen Orten der Welt Sympathien schaffen müssen: bei den Menschen in Afghanistan, in Syrien, im Irak. Überall dort, wo amerikanische Truppen das «Böse» mit Drohnen und Lenkbomben bekämpfen – und nach wie vor Kollateralschäden in Kauf nehmen. Barack Obama wird denn auch kein Statement abgeben zu Guantánamo, während er auf Kuba weilt.