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Gesellschaft & Religion Ramadan: Gebetsruf im TV provoziert die Briten

Grossbritanniens öffentlich-rechtlicher TV-Sender Channel 4 strahlt den Ruf des Muezzins aus. Täglich, während des ganzen Fastenmonats Ramadan, der heute angefangen hat. Das sorgt für Kritik, obwohl Nachts um drei kaum einer zuschaut.

«Channel 4 versucht tatsächlich, die islamische Praxis in den Alltag zu integrieren», so die Einschätzung des SRF-Grossbritannien-Korrespondenten Martin Alioth. Dass die erklärte Provokation des Senders so gut wirke, weise auf einen Zustand hin, der bekannt sei: Der Islam werde nicht als etwas Alltägliches wahrgenommen im Land.

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Martin Alioth über die Kontroverse in Grossbritanien
04:43 min
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 43 Sekunden.

Beabsichtigte Provokation

Der Leiter von Channel 4, Ralph Lee, hatte den Schritt gegen Kritik aus Politik und Gesellschaft bereits im Vorfeld verteidigt. Es handle sich um eine «beabsichtigte Provokation», schrieb er in einem Gastbeitrag für die «Radio Times». Die tägliche Ausstrahlung des Rufs zum Gebet solle daran erinnern, dass der Islam nicht gleichzusetzen sei mit Terror und religiösem Fanatismus. Die tägliche, dreimüntige Sendung ist Teil der Sendereihe «4Ramadan», mit der Channel 4 während des Fastenmonats das Leben britischer Muslime zeigen will.

Fast fünf Prozent der Menschen in Grossbritannien würden sich aktiv am Ramadan beteiligen, schreibt Channel 4-Leiter Lee. Und weiter: «Können wir das auch von anderen Ereignissen sagen, etwa vom Kronjubiläum der Queen, über das vollabdeckend berichtet wurde?» Der Sender will zudem auch die genauen Zeiten für den Sonnenauf- und Untergang in seinen Wetterbericht aufnehmen.

Sender mit Minderheitenauftrag

«Channel 4 ist ein eigenartiges Hybrid», erklärt Korrespondent Martin Alioth. Der Sender ist zwar öffentlich-rechtlich, wird aber kommerziell finanziert. Darüber hinaus hat der Kanal einen sogenannten Minderheitenauftrag. Dieser beinhaltet, dass der Sender «die kulturelle Vielfalt des vereinigten Königreichs abbildet und bedient.»

Auch von Muslimen gibt es Kritik an der Ausstrahlung des Gebetsrufs. Die aus Pakistan stammende Autorin Anila Baig prognostizierte in einem Gastbeitrag für die «Sun», dass kaum einer ihrer Glaubensbrüder die Sendungen einschalten werde. Einerseits gebe es bereits muslimische Kanäle, die sich dem Thema Ramadan sehr intensiv widmeten. Andererseits verzichteten konservative Muslime während des Fastenmonats auch auf das Fernsehen.

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