Die Städte sind ausgestorben, die Strände menschenleer. Viele Ortschaften sind von der Landkarte verschwunden. Vereinzelt stehen die Spielfiguren noch da, leblos, als würden sie schlafen. In «Second Life» herrscht schon seit längerer Zeit eine post-apokalyptische Stimmung.
Dabei begann alles so vielversprechend: «Second Life» ging 2003 online. Schon bald tummelten sich Millionen von Menschen in der Online-Welt. Mit einem selber gestalteten Avatar, so nennt man die virtuellen Alter Egos, wurde der Traum vom zweiten Leben Wirklichkeit: Hübsch? Gut gebaut? Ausgefallene Kleidung? Endlich konnte man sein, wie man schon immer sein wollte.
Ein grosser medialer Hype war die Folge. Bekannte Marken und Konzerne wie Disney, Mercedes oder Amazon witterten ein Geschäft und bemühten sich ebenfalls um einen extravaganten Auftritt in «Second Life».
Welt der unbegrenzten Möglichkeiten
Platz hatte es genug. Die Welt von «Second Life» ist beliebig gross. Sie besteht aus Inseln, über die man den eigenen Avatar steuern kann: Man kann herumfliegen, mit anderen Avataren chatten oder ein Haus kaufen. Wer bereit ist, genug Zeit zu investieren, kann sein Auto gleich selber zusammenbauen.
Man kann alle Objekte wieder vermieten oder verkaufen. Bezahlt wird mit virtuellem Geld, sogenannten Linden-Dollars, welche man nach erfolgreich abgeschlossenem Geschäft problemlos in echte Dollars umwandeln kann.
Vom Hype zum Flop
«Es herrschte Goldgräberstimmung, damals, zwischen 2005 und 2009», erinnert sich Ronny Fischer. Er war mehrere Jahre lang mit seinem Avatar «Cypher Black» in der virtuellen Welt unterwegs. Er gründete eine Firma nur für «Second Life» und half anderen Menschen und Firmen einen passenden Auftritt in der virtuellen Welt zu realisieren. Eine Zeit lang lief das Geschäft so gut, dass er seinen Lebensunterhalt damit verdiente. Doch irgendwann flaute die Begeisterung für das virtuelle Leben ab.
Seit den Nuller-Jahren werden immer mehr Inhalte im Internet gratis angeboten. In «Second Life» hingegen kostet zum Beispiel eine Insel 300 US-Dollar pro Monat. Einloggen und Umschauen sind zwar kostenlos. Wenn man jedoch Land besitzen und mehr Einfluss auf die Welt nehmen möchte, muss man ziemlich viel Geld in die Hand nehmen.
Konkurrenz von Facebook
Einen besonderen Mehrwert hat man durch diese Ausgaben aber nicht: Während des Hypes um «Second Life» beginnt parallel die Revolution der sozialen Netzwerke. «Es war viel einfacher, die Leute auf Facebook zu treffen, statt sich jedes Mal durchs ‹Second Life› navigieren zu müssen», sagt Ronny Fischer.
Viele Menschen waren damals nur in «Second Life», um einen passenden Partner zu finden. Mit dem Aufkommen der Dating-Portale wurde dies dann bedeutend einfacher und treffsicherer.
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Zur schwindenden Attraktivität von «Second Life» trug auch die optische Erscheinung zu: «Da viele Rechner nicht mit der riesigen Datenmenge fertig wurden, ruckelte es im ‹Second Life› oft. Das ist bis heute sehr mühsam», sagt Ronny Fischer.
Virtual Reality bleibt interessant
Aus «Second Life» ist ein «Strange Second Life» geworden. Der Hersteller Linden Lab glaubt aber immer noch an die Massentauglichkeit und plant deshalb eine komplett neue Version. Diesmal soll die Benutzerfreundlichkeit erhöht werden und die Grafik auf dem neuesten Stand sein.
Das Geschäft mit der «Virtual Reality» bleibt auch bei den führenden Internet-Konzernen ein Thema: Facebook hat im Frühjahr 2014 die Firma Oculus VR gekauft. Diese stellt Brillen her, mit denen man in virtuelle 3-D-Welten tauchen kann. Und Google tüftelt mit Google Glass zumindest an einer Vermischung der realen und der virtuellen Welt.