Das Wichtigste in Kürze:
- Neuste Forschung zeigt, gut 30 Prozent der Bevölkerung gehört zur Gruppe der Introvertieren.
- In Zeiten des Selfiemarketings werden die Qualitäten der Introvertierten übersehen.
- Bestsellerautorin Susan Cain macht sich in ihrem Buch für die Stillen stark.
Susan Cain lebt in den USA. Dem Erfinderland von Small Talk, Brainstorming, Teamwork und Networking. Ihre Heimat ist ein Einwandererland. Da war «Come Together» und «Talk Together» überlebenswichtig.
Als Wallstreet-Anwältin hat es Cain weit gebracht, sich als Supertalent mit grossem Verhandlungsgeschick einen Namen gemacht – und war in Milliardendeals involviert. Dann hing sie ihrem Job an den Nagel.
Ins stille Kämmerchen
Vor etwa 10 Jahren zog sich die Juristin vom Getöse der Businesswelt an den Schreibtisch zurück. Ins stille Kämmerchen. Dort vertiefte sie sich in das, was ihre Persönlichkeit ausmacht: die Introversion. Und wie das so der Introvertierten Art ist, hat Cain das sehr gründlich und tiefgreifend getan.
Entstanden ist ein Standardwerk. «Still – Die Kraft der Introvertierten» ist mittlerweile in viele Sprachen übersetzt worden. Leichtfüssig referiert Cain Forschung zu diesem Thema, porträtiert introvertierte Weltgeister wie Gandhi, Proust, T. S Elliott und den Apple-Mitbegründer Steve Wozniak.
Und: Sie macht darauf aufmerksam, was der Welt abhandenkommt, wenn die Qualität der Stillen in Zeiten des Selfmarketings übersehen wird. Damit hat sie einen Nerv getroffen. In den USA wurde ihr Buch sofort zum Bestseller.
Weder Einstein noch «Harry Potter»
«Ohne Introvertierte hätten wir keinen ‹Harry Potter›, keine Klavierstücke Chopins und keine Relativitätstheorie», schreibt die Amerikanerin. «Sorgfalt, Beharrlichkeit, Analyse, Konzentration und Eigensinn, das sind die Stärken der Stillen. Warum geben wir ihnen trotzdem immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein?», Cain bricht im 480 Seiten starken Buch eine Lanze für die stilleren Menschen. Gut 30 Prozent der Bevölkerung gehören nach neuesten Forschungen dazu.
Scheinbar langsam und langweilig
Stille Wasser gründen tief. Die moderne Forschung gibt dem alten Sprichwort Recht. Introvertierte Menschen denken länger nach, bevor sie etwas sagen oder gar zur Tat schreiten. Sie zweifeln mehr als extravertierte Tatmenschen.
Wenn sie die Wahl haben, schreiben Introvertierte lieber, als dass sie zum Telefon greifen. Das kann passiv, langsam oder gar langweilig wirken. Deswegen sind stille Wasser auch auf Extravertierte angewiesen, die sie zuweilen aus der Reserve locken. «Was denkst du?», «wie siehst du das?» Und schon wird klar: Introvertierte haben etwas zu sagen.
Unverschämt unabhängig
Cain macht in ihrem Buch einen Unterschied sehr deutlich. Extravertierte erholen sich unter Menschen. Beim Feierabendbier. An der Party. Beim Smalltalk auf der Strasse. Introvertierte scheuen diese Situationen. Wenn ihr Mass an Kontakten voll ist, erholen sie sich am besten in den eigenen vier Wänden. Sie sind zufrieden, wenn sie ihre Ruhe haben. Sie können gut allein sein und sind damit «unverschämt unabhängig», wie die Bestsellerautorin schreibt.