Was hat man im Vorfeld nicht alles gesagt und geschrieben. Eine böse Fasnacht werde es. Eine, die zum Nachdenken anrege. Eine, deren Pointen einem das Lachen im Halse stecken bleiben lasse.
Und tatsächlich: Schon während der Vorfasnacht deutet viel auf eine aussergewöhnliche Fasnacht hin. Der Schock über die Trump-Wahl in den USA sitzt tief. Die Wut über Erdogans Aggression gegen die Freiheit ist gross. Und das ungebremste Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in ganz Europa irritiert.
«E letschts moll lääbe»
So sehr, dass manche das Gefühl haben, die Fasnacht sei ein letzter Tanz auf dem Pulverfass. Im «Pfyfferli» zum Beispiel, in einer der der vielen Basler Vorfasnachten, heisst es:
«... e letschts Moll dien mir feschte, singe
Liebe, tanze, toobe, springe
E letschts moll lääbe bis es knallt
Mir wärde ainewääg nid alt
Und dääwääg dien mir Fasnacht mache
Mir lööns e letschts Moll richtig krache ...»
Das ist neu. Dass die Fasnacht mit schwierigen Themen zu tun hat, ist bekannt. Dass sie aber eingedenk der Umstände zum Abgesang ihrer selbst wird, das hat es so noch nicht gegeben.
Brexit, Erdogan und Blocher
Zehn Tage vor der Fasnacht dann der nächste Streich. Die «Zeedel» sind da. Die Gedichte, Verse, Pamphlete, mit denen die einzelnen Fasnachtseinheiten wie die Cliquen, Trommler- und Pfeifergruppen ihre Sujets ausbreiten.
Auch da: Trump, Brexit, Erdogan und Blocher. Und das mit einer Vehemenz, wie sie noch selten zu erleben war. Von «Arschloch Erdogan» ist da die Rede und von «Petry heil!» Und zum Thema Populismus kann man auf dem Zeedel vom «Stamm vo de Rhyygwäggi» zusammenfassend für all das lesen:
«… grossi Schnuure nyt drhinter
Jetz kunnt gaischtig nur no Winter….»
Kaum Zürcher-Verse
Und dann ist Fasnacht. Die Schnitzelbänggler sind unterwegs und kümmern sich Gott sei Dank keinen Deut um die Erwartungen der Fasnachtsberichterstatter.
Die Themen sind breit wie immer. Die Haltung ist frech und unverzagt. Keine Spur von Resignation. Keine Spur von Tanz auf dem Vulkan. Was aber nicht heisst, dass die relevanten Themen nicht vorkämen.
Im Gegenteil. Jede Gruppe hat ihren Trump-Vers. Und vermutlich kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es noch nie eine Fasnacht mit so wenigen Zürcher-Versen gegeben hat.
Satire vom Feinsten
Zu irrelevant sind Zürcher schlicht angesichts der wirklich wichtigen Themen. Aber die kommen eben nicht mit Leichenbittermiene daher. Sondern so, wie es sich für den wichtigsten satirischen Anlass der Schweiz gehört. Frech, gut und ungebrochen. Dr Spitzbueb zum Beispiel singt:
«Jetz zaalsch im Konsi, doo um s Eggli
Finf Rabbe fiir das bleedi Seggli;
drbyy kaasch in Amerika
e bleede Sagg au gratis haa»
Die Fasnacht 2017 läuft. Sie spricht all das an, was uns heute unter den Nägeln brennt. Sie spielt mit der Resignation, resigniert aber nicht. Es ist grossartig, dass es sie gibt. Gäbe es sie nicht, müsste man sie erfinden. Gerade in unserer Zeit.