Sahin Albayraks Haus wurde vor zwei Tagen upgedatet. Es ist jetzt ein wenig gescheiter geworden. Es weiss, wenn sich Albayrak im Auto nähert. Dann fährt es automatisch das Eingangstor hoch.
Es sieht reichlich unscheinbar aus, eckig, aus grauem Beton, mit schwarzen Jalousien. Fast identisch mit den anderen Häusern in dieser ruhigen Seitenstrasse in Dahlem, einem der schicksten Viertel Berlins. Doch es ist kein gewöhnliches Haus, sondern vernetzt und smart.
Einer der grössten Tech-Trends
Sahin Albayrak nennt es gar das vernetzteste Haus Deutschlands. Albayrak ist ein gemütlicher Mann, sein weisses Hemd spannt etwas in der Bauchregion. Seine Frau trägt ihr sechs Monate altes Baby auf dem Arm und kommt, mit Kuchen in der anderen Hand, auf die Terrasse. Albayrak zeigt derweil auf dem iPad, was er nicht nur von hier aus, sondern auch vom andern Ende der Welt könnte: die Tür aufschliessen, die Kaffeemaschine vom Strom nehmen, das Licht ein- und ausschalten.
Diese Häuser der Zukunft sind einer der grössten Trends der Technologie. Das Internet der Dinge verspricht internetfähige, smarte Geräte auf unseren Strassen und in unseren Häusern. Von Strassenlampen bis zu Kühlschränken. Eine Studie des Anbieters Cisco rechnet damit, dass uns bereits in fünf Jahren 50 Milliarden vernetzte Geräte umgeben, knapp fünf Mal mehr als heute.
«Es ist, als denke das Haus selber»
Albayrak ist vor rund sieben Jahren vorgeprescht, und hat sich sein smartes Haus bauen lassen. Ausgestattet mit Motoren und internetfähigen Geräten – von der Sauna im Keller bis zur Waschmaschine und dem Herd – kann das Haus aber auch vieles ganz allein.
Je nachdem, wie die Sonne auf das Haus einstrahlt, fährt es eigenständig die richtigen Jalousien runter. Wenn es in einem Zimmer zu kalt wird, wirft es die Heizung an – es sei denn, das Fenster ist geöffnet und das Zimmer ohnehin leer. Den Strom für all das generiert das Haus im Sommer dank den Kollektoren auf dem Dach komplett selbst.
«Es ist, als denke das Haus selber», sagt Albayrak. «In den Ferien können wir es in den Ferienmodus schalten. Dann werden wir benachrichtigt, wenn jemand ins Haus geht.» Dann schlage es Alarm und jage dem Einbrecher über die Lautsprecher einen Schrecken ein. Damit es schon gar nicht soweit kommt, gaukelt es der Umgebung Aktivität vor, wirft gegen Abend die Lichter an, spielt Musik oder einen Film im Fernseher.
Der «Nicht stören»-Knopf
Natürlich kann Albayrak mit diesen Funktionen auch einfach seine Frau wecken, während er schon im Büro sitzt. Er kann Musik spielen oder im Schlafzimmer die Jalousien hochfahren. Ihr bleibt dann nur noch aufzustehen, oder zum Handy zu greifen und den «Nicht stören»-Knopf zu drücken. Dann kann es aus der Ferne nicht mehr bedient werden.
Sind beide weg, können sie einzelnen Menschen Zugang und Rechte erteilen, ihrer Putzfrau etwa. Sie erhält für eine gewisse Zeit Zugang zum ganzen Haus oder zu einzelnen Stockwerken. Übertritt sie diese: Alarm. Verlässt jemand das Haus, ohne abzuschliessen: Alarm. Ist die Herdplatte an: Alarm.
Der Spass ist nicht ganz günstig
Ganz günstig ist dieses Haus nicht zu kriegen. Albayrak hat ein geschäftliches Interesse, die Entwicklung voranzutreiben. Er ist der Vorsteher eines Verbands von Firmen, die auch an der vernetzten Zukunft des Wohnens arbeiten. Als Leiter der «Distributed Artificial Intelligence»-Labors der Technischen Universität Berlin forscht er an smarten Lösungen fürs Zuhause, und testet viele gleich selbst.
Allein die Installation der Sensoren und Motoren hätten ihn rund 10‘000 Euro gekostet. Heute wären das noch etwa 2000 Euro, schätzt er. Doch dieser Betrag enthält nicht die smarten Geräte, die ans Internet angeschlossen sind und aus der Ferne per Smartphone-App gesteuert werden können.
Das Haus lernt ständig
Die Vorteile sind für ihn offensichtlich: «Da ist einmal die Sicherheit, die sehr wichtig ist. Die zweite Sache ist der Umweltschutz, wir können massiv Energie sparen. Und der Komfort ist ein gutes Nebenprodukt.»
Und das Haus kann ständig lernen. Die Software ist besser geworden, einige Sensoren sind dazu gekommen. Die Menge an Wissen, das über Jahre angesammelt wird, zeigt Ineffizienzen auf, die mit neuen Regeln behoben werden können.
Der gute alte Hausschlüssel
Doch in Zeiten von immer grösseren Hacks, bei denen fahrende vernetzte Autos lahmgelegt werden oder Konzernen Daten gestohlen und veröffentlicht werden, gibt es da nicht Sicherheitssorgen? «Wer hat schon ein Interesse, unser Haus zu hacken», fragt Frau Albayrak auf der Terrasse. Und ihr Mann ergänzt: «Die Verbindungen sind von Ende zu Ende verschlüsselt. Und erstmal müssten sie unser WLAN knacken.»
Gerade aber gibt es ohnehin andere Probleme: Das iPad hat keinen Akku mehr. Als Albayrak es zum Aufladen ans Netz hängt, ist das Haus plötzlich wieder ein ganz gewöhnliches. Jetzt müssen wieder die Schalter an den Wänden gedrückt werden, damit das Licht angeht. Auch wenn man so vor verschlossener Tür steht, gibt es eine Lösung: «Wir haben auch einen ganz gewöhnlichen Schlüssel.» Der gute alte Schlüssel – im Haus der Zukunft nur noch ein Back-up, falls ebendiese Zukunft versagen sollte.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 3.8.2015, 17:15 Uhr