Allen Energiezielen zum Trotz: Solarstrom macht am gesamthaft nachgefragten Strom in der Schweiz erst rund ein Prozent aus. Dass es nicht schneller vorangeht mit dem Ausbau der Solarenergie, hat für Sabina Müller einen wichtigen Grund: «Viele Leute wollen keine Solarpanels auf ihrem Haus, weil diese technisch aussehenden Platten hässlich sind», sagt die Sprecherin des «Centre Suisse d’Electronique et Microtechnique» (CSEM) in Neuenburg.
Panels können ganz unterschiedlich aussehen
Das CSEM hat nun eine Neuentwicklung präsentiert, die genau hier ansetzt: Solarpanels sollen sich unauffällig und ästhetisch überzeugend in Fassaden und Dachlandschaften einfügen. Entwickelt hat das CSEM nicht eigentlich ein neues Solarpanel, sondern eine Folie, mit der sich die bestehenden Standard-Photovoltaik-Module (mit siliziumbasierten Zellen) vollständig bedecken lassen, sodass technische Auffälligkeiten wie Ränder und sichtbare Zellen verschwinden. «Diese Folie lässt sich auch in unterschiedlichsten Farben und Mustern, matt oder glänzend, herstellen», erklärt Laure-Emmanuelle Perret-Aebi vom Entwicklungsteam.
Erstmals gibt es auch weisse Solarmodule
Mit einer solchen Beschichtung im passenden Design würden Solarmodule zu eigentlichen Bauelementen, mit denen sich Dächer gestalten lassen. Gleiches gilt für Fassaden, wie Perret-Aebi betont. Die neue, mit Nanopartikeln bedeckte Polymer-Folie gibt es nämlich auch in reinem Weiss, was laut CSEM eine Weltneuheit ist.
Weisse Solarmodule zu entwickeln galt bisher als unattraktiv, weil das stark reflektierende Weiss die Energieaufnahme zu sehr reduziert. Dieser unerwünschte Effekt wird bei der Folie vermieden mittels einer Solarzellentechnologie, die Infrarotstrahlung im Sonnenlicht in Elektrizität umwandelt. Der Trick dabei ist ein Streufilter, der das warme Infrarotlicht überträgt, ansonsten aber das gesamte sichtbare Lichtspektrum streut, was die weisse Farbe generiert.
Die neue Folie ist kostspielig
Die Folie hat allerdings einige Handicaps. So frisst sie Energie weg: Ein Standard-Solarmodul mit 18 Prozent Wirkungsgrad kommt nur noch auf 11 Prozent, wenn man es beschichtet (egal ob weiss oder farbig). Zwar liesse sich dieses Minus wieder wettmachen – sofern die Folie die Zahl der heutigen unschönen Solarpanels vervielfacht. Dem steht aber vorläufig der Preis entgegen: Die Beschichtung soll zwar gleich langlebig sein wie die heutigen Solar-Module, doch sie verteuert den Preis um vielleicht etwa 20 Prozent.
Fachleute sind überzeugt
Trotz Unsicherheiten – Fachleute begrüssen die Entwicklung aus Neuenburg sehr. Solarinstallateur Pascal Affolter von Solstis sagt, auf eine solche Erfindung habe die Branche gewartet, der Preis, jetzt noch eine Hürde, werde sinken.
Überzeugt ist auch der kantonale Denkmalpfleger von Neuenburg, Jacques Bujard. Mittelalterliche Altstadtdächer würde er zwar auch weiterhin nicht im grossen Stil mit Solarpanels bedecken wollen, doch für erhaltenswerte Bauten des 20. Jahrhunderts, vor allem für Fassaden, erscheine ihm die neue Folie absolut vielversprechend.
An Fassaden hätten die neuen Solarmodule grosses Potential, schätzt auch der Zürcher Architekt Karl Viridén, der 2014 den Europäischen Solarpreis gewonnen hat: «Die Zukunft wird sein, dass man die Fotovoltaik in die Fassade integriert, in Glasfassaden zum Beispiel – das hat auf jeden Fall Zukunft.» Wie sehr das Zukunft hat, soll sich ab kommendem Jahr zeigen. Dann sollen die neuen Folien auf den Markt kommen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.10.14, 17:50 Uhr