Herr Rainer, Sie sind strikt gegen die Initiative «Grundrechte für Primaten». Weshalb?
Gregor Rainer: Ich halte diese Initiative für nicht ausgereift. Das hat zum einen damit zu tun, dass die 350 existierenden Primatenarten eine extrem heterogene Gruppe darstellen mit ganz unterschiedlichen kognitiven Eigenschaften.
Ich verstehe ausserdem nicht, dass man sich auf Primaten beschränkt, wo doch auch andere Tiere hochintelligent und leidensfähig sind, wie Schweine.
Der Mensch weist übrigens mit den meisten Säugetieren eine sehr hohe genetische Übereinstimmung auf. Der Fokus auf Primaten ist arbiträr und nicht zu rechtfertigen. Ich verstehe des Weiteren nicht, wie man Rechte fordern kann ohne darüber nachzudenken, welche Pflichten damit einhergehen.
Das dürften aber nicht die einzigen Gründe sein, wenn man bedenkt, dass Sie bereits viele Versuche mit Affen für ihre Forschung gemacht haben.
Das stimmt. Man darf eines nicht vergessen: unsere Gesellschaft steht vor enormen Herausforderungen, Stichwort: alternde Gesellschaft. Wir haben es mit vielen neurodegenerativen Krankheiten, wie Alzheimer und Demenz zu tun, die noch stärker auftreten werden.
Wir verstehen momentan noch sehr wenig über die grundlegenden Zusammenhänge, die zu diesen Krankheiten führen. Deshalb können wir auch noch keine Therapien anbieten.
Wenn wir keine Grundlagenforschung mehr machen können – und das will die Initiative –, dann können wir garantieren, dass wir keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen werden und damit in letzter Instanz auch keine neuen Therapien angeboten werden können.
Und dafür braucht es unbedingt Primaten? Kann man Erkenntnisse aus diesen Versuchen denn immer direkt auf den Menschen übertragen?
Das kann man nicht in jedem Fall. Aber Affen weisen deutlich engere Homologien zum Menschen auf als beispielsweise Nagetiere.
Forschung mit Primaten ist ein kleiner, aber hochwichtiger Bereich der Neurowissenschaften. Die entsprechenden Versuche werden dann auch von den jeweiligen Kommissionen als unerlässlich eingestuft.
Wie genau muss ich mir das Genehmigungsverfahren vorstellen?
Man muss die wissenschaftlichen Hintergründe darlegen und auch, was mit den einzelnen Tieren passieren soll. Welchen Eingriffen sie beispielsweise unterzogen werden oder wie die genaue Versuchsplanung aussieht.
Auch muss man beweisen, dass wirklich nur die Anzahl Tiere verwendet werden, die absolut notwendig sind. Im Rahmen der Güterabwägung ist der Forscher angehalten, die Belastungen der Versuchstiere den potentiellen Erkenntnissen gegenüber zu stellen. Also den Erkenntnissen, die für den Menschen positive Auswirkungen haben können.
Aber am Schluss entscheidet der Mensch doch per se immer zu seinem Vorteil, nicht?
Das ist eben genau der Sinn der Güterabwägung, dieses Problem zu lösen. Sie stellt sicher, dass der Mensch nicht nur nach seinen Bedürfnissen entscheidet, sondern dass die Bedürfnisse der Tiere in angemessener Weise in die Entscheidung einfliessen. Darum ist diese Güterabwägung besonders wichtig.
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Die Kommissionen, die sich damit befassen, haben einen sehr schweren Job. Sie sind mit Wissenschaftlern, Tierschützern, Tierärzten, aber auch Theologen und Philosophen besetzt, um das Hauptaugenmerk auf die Bedürfnisse der Tiere zu legen. Ich denke nicht, dass der Mensch immer nur zu seinen Gunsten entscheidet.
Nehmen wir mal an, eine solche Initiative würde schweizweit angenommen. Was würde das für die Forschung bedeuten?
Das würde zu Lasten der Tiere gehen.
Wieso?
Weil die Forschung dann ins Ausland verlegt wird, wo die Standards in den allermeisten Ländern deutlich niedriger sind. Man darf nicht vergessen, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle spielt in Bezug auf Tierhaltung und Tierschutz. Wir sollten uns eher dafür einsetzen, dass dieser hohe Standard internationalisiert wird.
Darf man Versuche an Primaten durchführen, wenn die daraus resultierenden Forschungsergebnisse dem Menschen helfen? Was denken Sie? Diskutieren Sie in der Kommentarfunktion mit.