Bogotá ist auf den ersten Blick keine liebliche Stadt. Rau, stickig und von der Hektik wird man beinahe überrollt. Entlang der Strassen ist die 8-Millionen-Metropole jedoch bunt. Dafür sorgen die zahlreichen Street Art-Künstler die hier ansässig und inzwischen auch geduldet sind.
Sie gestalten facettenreich Wände und Mauern. In der Altstadt sind die meisten Wandbilder eher unpolitisch. Doch an vielen anderen Strassen Bogotás wird offen gesprayte Kritik geübt.
An der sechsspurigen Calle 26, einer der Hauptverkehrsadern der kolumbianischen Hauptstadt, gibt es am meisten Graffiti in der Stadt. Hier zieren kritische und kunstvolle Werke hunderte Meter von Hauswänden und Mauern.
Die soziale Ungerechtigkeit wird ebenso farbenfroh thematisiert wie die Macht der Drogenkartelle oder die Gewalt in Kolumbien.
Die Strasse als Galerie
Einer der Künstler, der die Finger in diese immer noch offenen Wunden des Landes legen möchte ist «Dast». Der 31-jährige hinterlässt seit 15 Jahren täglich Botschaften an den Wänden in den Häuserschluchten Bogotás. Auch wenn seine Kunstform dort sehr vergänglich ist:
«Der effektivste, der stärkste und der nützlichste Weg um etwas auszudrücken ist die Strasse. Wir sind alle in den Strassen.» Dass seine Werke manchmal nach zwei Tagen bereits wieder übermalt sind, gehöre dazu.
Sprayen mit Genehmigung
Sprayer in Bogotá können tagsüber ihrer Arbeit nachgehen, sofern sie die Erlaubnis der Hauseigentümer oder der Stadt haben. Wer illegal sprayt, bekommt eine vergleichsweise milde Busse.
«Dieser tolerante Umgang der Behörden ist ein Grund, weshalb Bogotá die Kapitale der Street-Art in Südamerika ist». Sagt Chris Petersen. Der gebürtige Australier bietet seit 7 Jahren eine Graffiti-Tour durch Bogotá an.
Die Stadt hat eingesehen, dass die Kunstform Graffiti durchaus ihre Berechtigung im urbanen Raum hat und sogar einen sozialen und demokratischen Zweck erfüllen kann.
Am 2. Oktober stimmen die Kolumbianerinnen und Kolumbianer in einem Volksentscheid über die Friedensvereinbarung zwischen Regierung und Farc-Rebellen ab. Seit einigen Wochen ist Bogotá darum übersät mit Graffiti für den Frieden.
Die Street Art-Künstler möchten den Wandel in Kolumbien aktiv mitgestalten, wollen Verantwortung beim Aufbau des Landes übernehmen.
50 Jahre Krieg
Das verdeutlicht auch eines der Hauptmotive, das die Künstler immer wieder mit Hilfe von Schablonen an die Wände sprühen: sich die Hand reichen.
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Ein Beispiel im Universitätsviertel an der 57. Strasse: Zwei Gesichter schreien sich an – aus ihren offenen Mündern kommen gestreckte Arme, welche sich die Hand geben.
Genau da zeigt sich der Street Art-Künstler «Dast» aber kritisch. Er meint, es hätte immer noch zu wenig Graffiti, welche den Friedensprozess thematisieren: «Dieser Krieg fand immer auf dem Land statt. Die Farc-Rebellen waren nicht hier in Bogotá. Darum wissen die jungen Sprayer wenig über den Konflikt und getrauen sich nicht, ihn an den Wänden zu thematisieren. Das stört mich. Bogotá ist auch Kolumbien.»
Darum machen «Dast» und seine Kollegen weiter und zwar dort, wo es vielen Menschen auffällt: an den Wänden ihrer Stadt. Auch wenn die Kunst dort selbst so verletzlich ist.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.9.2016, 08:30 Uhr