«Ich bin sehr wehmütig, aber ich merke in diesen letzten Tagen auch, dass wir hier etwas gemacht haben, was in der Stadt Zürich Geschichte geschrieben hat.» Das sagt Esther Eppstein. Sie ist die Frau, die mit ihrem «Message Salon» bis Ende 2013 im «Perla-Mode» ansässig war, die das Lokal sieben Jahre lang geführt und es bekannt gemacht hat.
Schafe im Schaufenster
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Bekannt war der Off-Space «Perla-Mode» vor allem bei Zürcher «Szenis», als Ort, wo man Gleichgesinnte, aber eben auch Menschen treffen konnte, mit denen man sonst nie in Kontakt kommen würde. Bewohner der Langstrasse, Junkies, Prostituierte oder einfach nur Menschen, die aus ganz anderen kreativen Bereichen kamen als man selbst. Leute, die Lust hatten, gemeinsam zu diskutieren, zu tanzen und zu trinken.
Ob Büchernächte, Performancefestivals, Konzerte auf dem Hausdach, ein Theater mit erweiterter Bühne auf die Langstrasse oder Filmnächte, im «Perla-Mode» fand in den letzten acht Jahren alles statt, was man unter dem Begriff Kultur versammeln kann. Ebenso vielfältig wie drinnen ging es im Schaufenster des Kunstraums zu und her. Ob Pflanzen, Schafe oder grotesk geschmückte Schaufensterpuppen – immer wieder konnte man im Vorbeigehen überrascht und hineingezogen werden.
Das Provisorium im Schmelztiegel
Begonnen hatte die kreative Explosion 2006, als Esther Eppstein mit ihrer Galerie «Message Salon» in das ehemalige Kleidergeschäft an der Langstrasse zog. «Als wir hier angefangen haben, war es eine verruchte Gegend und die sogenannte Partymeile Langstrasse, wie man sie heute kennt, stand noch ganz am Anfang. Diesbezüglich hat sich extrem viel verändert in den letzten paar Jahren», sagt Eppstein.
Die einmalige Umgebung habe den Kunstraum entscheidend geprägt. Viel Energie und Aufmerksamkeit habe sich hier gebündelt, hier wo Schichten, Generationen und Mentalitäten aufeinanderprallten.
Pornografievorwürfe und eine Schiesserei
Nicht immer ging dieses Neben- und Miteinander gut. Es gab in der Geschichte des «Perla-Mode» viele heikle Momente, sagt Esther Eppstein: «Es war eine grosse Anstrengung die Balance zu finden zwischen Innen und Aussen, zu entscheiden, wie weit man offen sein möchte für alle.»
Das «Perla-Mode» hat nicht nur allen den Zugang zu Kunst gewährt, es nahm auch immer wieder Bezug auf seine Umgebung. Während der Euro 08 zum Beispiel projizierte der Kunstraum nachts verschiedene Comicbilder an die Wand, auf denen eine Szene mit Frau und Mann und so etwas wie ein erigierter Penis zu sehen war. Eine Polizeipatrouille nahm daran Anstoss und verknurrte die Galeristin zu einer Busse wegen Pornografie, wohlgemerkt in einem Umfeld in dem es von Sexkinos und Prostituierten nur so wimmelte. Eppstein wehrte sich gegen die Anzeige, argumentierte mit Kunstfreiheit und gewann 2009 den Prozess gegen die Polizei.
Mitte 2013 dann passierte etwas, was den Betreibern des Offspace einmal mehr klar machte, auf welch heissem Pflaster sie sich niedergelassen hatten. Zwei Männer wurden am helllichten Tag in den Räumen des «Perla-Mode» angeschossen. «Da merkten wir, es war alles zu nah hier drin», sagt Esther Eppstein.
Hier durfte etwas auch mal floppen
Ende 2013 dann hatte Esther Eppstein eigentlich genug. Doch weil der Mietvertrag wider erwarten nochmals um ein Jahr verlängert wurde, gab sie das Zepter weiter an das junge Künstlerkollektiv FRICTION. Magda Drozd, Camille Jamet, Lisa Loeb und Robert Steinberger leiteten seitdem die Geschicke des Hauses, organisierten Festivals, waren Kuratorinnen, Hausabwart, Barbetreiber und Buchalterinnen in einem.
Und sie trugen den freiheitlichen Geist Eppsteins weiter und werden zu einer wichtigen Anlaufstelle für Studentinnen der ZHdK, die einmal im ausserschulischen Kontext etwas ausprobieren wollten. Denn hier durfte etwas auch mal nicht perfekt sein, durfte floppen oder aus dem Ruder laufen.
Junge Kunst wird weiter bestehen
Damit ist nun Schluss. Mitte Februar beginnen die Abrissarbeiten, bis 2016 entsteht an der kreativsten Ecke Zürichs ein neues Hiltl-Restaurant mit 150 Plätzen.
Das Künstlerkollektiv Friction wird weiterziehen in die Gessnerallee und dort versuchen, sich neu zu erfinden, meint Camille Jamet. «Wir machen auf jeden Fall weiter, auch wenn hier nun unser Haus abgerissen wird. Das Loch, das dann hier klafft, wird mich sicher traurig machen. Momentan aber überwiegt die Freude, dieser Tage hier nochmal so viel Leben zu sehen und zu merken, was das «Perla-Mode» ausgemacht hat. Nämlich die Kunst, die Energie und die Freundschaften, die hier entstanden.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 30.1.15, 17.45 Uhr