Als die Künstlerin Sofia Stevi vor rund zehn Jahren nach London ging, dachte sie, es sei für immer. Doch dann kam der Immobilienboom. Die Lebenshaltungskosten in London, sagt Sofia Stevi, seien für junge Künstler heute untragbar. Sofia hat im Szenestadtteil Peckham gelebt und gearbeitet. Nun wird auch dieses Viertel gentrifiziert, mit entsprechenden Folgen für die Mietpreise.
Sich auf die Kunst statt den Markt konzentrieren
Also hat sie letzten Sommer ihre Siebensachen gepackt und ist nach Athen gezogen. Das Geld war allerdings nicht der einzige Grund. Griechenland ist im Zuge der Finanzkrise zum Epizentrum Europas geworden. Hier könne man miterleben, wie sich Europa verändern werde, findet Stevi. Ausserdem ist in Griechenland gerade so vieles in Bewegung, für sie als Künstlerin sei das sehr reizvoll: «Es gibt hier viel Freiraum für Künstler. Fast das Gegenteil von London. London ist so kapitalistisch.»
In Griechenland hingegen befinde sich gerade alles in Auflösung, ein fruchtbarer Nährboden für die Kunst. «In London dreht sich alles um Karriere und Erfolg. Du versuchst, eine Galerie zu finden, Ausstellungen zu machen, deine Bilder zu verkaufen. In Athen passiert zwar auch viel, aber es geht insgesamt ruhiger zu. Ich freue mich schon darauf, dass ich hier mehr Gelegenheit dazu haben werde, über mich und meine Kunst nachzudenken, als immer nur darüber, wie meine Kunst auf dem Markt ankommen wird.»
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Der ideale Ort für ein Atelier
Ihren Partner, den Künstler Bobby Dowler, hat Sofia Stevi gleich mitgebracht. In ihrer Athener Wohnung haben die beiden in den vergangenen Monaten zwei Ausstellungen kuratiert, auch um mit der örtlichen Künstlerszene in Kontakt zu kommen. «Athen ist eine Künstlerstadt, eine aufregende Stadt», findet Bobby Dowler. Die im Vergleich zu London niedrigen Lebenshaltungskosten bedeuten ausserdem, dass er keine Konzessionen zu machen brauche. In London hätte er, um überleben zu können, zwangsläufig marktorientierte Arbeiten liefern müssen, so Bobby Dowler.
Auch anderen Künstlern erscheint Athen als Atelierstandort zunehmend attraktiv. Andreas Sell etwa ist von Berlin nach Athen gezogen. Er hat ebenfalls gerade eine Ausstellung bei sich daheim organisiert. Da zeigt er Skulpturen aus Fundmaterial, Etüden zu seinem nächsten Projekt. Für Andreas Sell ist Athen allerdings eine Zwischenstation. Er möchte seine Arbeit auf der Ägäis-Insel Lesbos fortsetzen. Eine Wahl, die mehr mit seiner künstlerischen Entwicklung zu tun hat als mit Griechenland, wo er eher durch Zufall gelandet ist.
Die Kunst im Zentrum
Berlin ist aus vielerlei Gründen für ihn abgeschlossen. Die Stadt sei ausserdem künstlerisch übersättigt, findet Andreas Sell. In Athen dagegen habe er etwas gefunden, was es in Berlin schon lange nicht mehr gebe: «Dass man sich Kunst ansieht und sich darüber unterhält. Dass die Kunst im Zentrum steht, das ist hier noch vorhanden. In Berlin heisst es nur: ‹Das haben wir schon gesehen, wir wollen einen neuen Hit haben.› Aber das, was man in der künstlerischen Arbeit eigentlich macht, das Arbeiten, die Konzentration, das kann man eher hier.»