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Über die Ausstellung «Design für alle» im Museum für Gestaltung
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 13.06.2024. Bild: Museum für Gestaltung Zürich / ZHDK / Regula Bearth
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Ausstellung in Zürich «Design für alle»: So geht Gestaltung ohne auszugrenzen

Nur selten entspricht unsere gestaltete Umwelt den Anforderungen aller Menschen. Inklusives Design möchte möglichst vielen Teilhabe ermöglichen. Eine Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich zeigt, wie das aussehen kann.

Die Lücke zwischen Strasse und Bustür. Bordsteinkanten. Die Aufhänghöhe von Fahrplänen. Für Noé Spirig ist der öffentliche Verkehr voller Hürden. Im Alltag passiert es oft, dass die gestaltete Umwelt nicht an seine Bedürfnisse angepasst ist. Es sind andere Bedürfnisse als die von Menschen, die nicht auf einen Elektrorollstuhl angewiesen sind.

Noé Spirig, 23, studiert an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Psychologie. «In der Uni wurde für mich eine Tür elektrisiert», sagt Spirig, «Dadurch wurde das Uni-Areal ein kleines bisschen besser zugänglich für mich.»

Die Universität reagierte auf seine Behinderung und passte die Infrastruktur an. Selbstverständlich ist das nicht, denn Gestaltung und Planung unterliegen oftmals bestimmten Standards und Normierungen.

Debatten in den USA, in Europa und der Schweiz

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Legende: IMAGO / Shotshop

Nachkriegsveteranen in Rollstühlen veränderten in den USA die medialen Bilder von Körpern. Auch in Europa und Japan gab es in Folge des Krieges vermehrt Rollstuhlrampen in Gebäuden.

Soziale Bewegungen brachten in den 1960er-Jahren das Thema Zugang und Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in die Öffentlichkeit. Auch Designschaffende sahen Inklusion, Sichtbarkeit und Teilhabe mehr und mehr als wichtige Gestaltungsaufgabe.

Während im angelsächsischen Raum die Debatte über Gleichstellung bereits früh geführt und in den 1990ern gesetzlich verankert wurde, trat in der Schweiz erst 2004 das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft.

Langsam findet der Diskurs auch Eingang in den Gestaltungsbereich hierzulande. Seit 2022 gibt es an der ETH Zürich den Lehrstuhl «Architecture and Care». Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein bietet Kurse für gendersensibles Planen an.

Auf politischer Ebene erhöht sich die Sensibilität für das Thema, wenn Politiker wie Islam Alijaj in den Nationalrat gewählt werden.

Einerseits weil sie an industrielle Massenproduktion gebunden sind, andererseits weil viele Gestalter und Planerinnen selbst einem Normkörper entsprechen: Lange Zeit war der vor allem männlich, weiss, gesund und sportlich.

Ausstellung zu barrierefreiem Design

Inklusives Design findet bis heute noch nicht genügend Beachtung. Das haben die Kuratorinnen Evelyn Steiner und Sara Zeller zum Anlass genommen, eine Ausstellung zu konzipieren.

Ausstellungshinweis

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Legende: Museum für Gestaltung Zürich / ZHDK / Regula Bearth

Die Ausstellung «Design für alle? Vielfalt als Norm» ist noch bis zum 20. Oktober 2024 im Museum für Gestaltung Zürich im Toni Areal zu sehen.

«Es ist sehr wichtig, uns zu fragen: Für wen ist unsere Welt, in der wir uns täglich bewegen, gestaltet? Wer ist ausgeschlossen davon?», beschreibt Zeller das Leitmotiv der Ausstellung im Zürcher Museum für Gestaltung. Zur Idee gehöre auch, dass sich Leute Gedanken machen sollen, wie man diese Ausschlüsse verhindern könne.

Unabdingbar: Co-Design

Wichtige Inputgebende für inklusives Design sind dabei Menschen, die aus ihren eigenen Erfahrungen heraus sprechen können. So wie Noé Spirig, den die Kuratorinnen um eine Einschätzung baten. «Ich habe mich sehr gefreut», sagt Spirig, «Das Thema Inklusion kann noch mehr Aufmerksamkeit und Diskussion gebrauchen.»

Noé Spirigs Perspektive hat geholfen, Ausstellungsobjekte auf einer für Rollstuhlfahrende geeigneten Höhe zu installieren und Begleittexte angemessen anzubringen, so dass der Blick nicht ständig nach oben wandern muss.

Für ihn ist das Miteinbeziehen von betroffenen Menschen unumgänglich. «Ohne geht es nicht.» Das betonen auch die Kuratorinnen der Ausstellung immer wieder.

Nahaufnahme eines Rollstuhlsymbols im Freien.
Legende: Für Menschen im Rollstuhl sind Gebäude-Designs nach wie vor ein häufiges Hindernis. Sie müssen Umwege in Kauf nehmen, eine extra Klingel betätigen oder sind auf Begleitung angewiesen. Inklusives Design will das ändern. IMAGO / Pond5 Images

«Wir haben ganz bewusst etwa die Hälfte der Ausstellungsfläche an Gäste ausgelagert, die aus ihrem eigenen Erleben argumentieren können.» Das schliesst sowohl Interviews mit Forschenden, Designerinnen und Beratungsstellen ein als auch Projekte und Initiativen von Menschen, die selbst Ausschluss erfahren haben und mit ihren Arbeiten zum Umdenken auffordern.

Beim Thema Inklusion sind die Ansprüche hoch. Denn ausgegrenzt werden viele unterschiedliche soziale Gruppen. Während der Bordsteineinschnitt für Rollstuhlfahrer eine wichtige Massnahme ist, stellt er ein Risiko für Menschen mit Sehbehinderung dar, die einen Langstock nutzen. 

Auch der Bereich Gestaltung kommt nicht ohne Widersprüche aus. Wie kann es etwa gelingen, zerbrechliche Prototypen berührbar zu machen? Eine Erkenntnis der Kuratorinnen ist, dass es kaum ein Design gibt, dass für alle perfekt ist. So sollte die Frage, wer von Inklusion profitiert, jedes Mal neu definiert werden.

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Radio SRF 1, Regionaljournal Zürich, 13.06.2024, 17:30 Uhr.

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