Am Eingang erinnern einige Handabdrücke im Beton an den Ursprung des Musée de la main: Der kunstbegeisterte Hand-Chirurg Claude Verdan rief das Museum vor 20 Jahren ins Leben, um Ausstellungen an Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft zu ermöglichen.
Ein spielerischer Einstieg
«Die Kunst ist eine gute Brücke, um einen Dialog zwischen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Gesellschaft herzustellen», sagt der Direktor Olivier Glassey. «Oft stellen sich Künstler und Wissenschaftler dieselben Fragen mit verschiedenen Mitteln.»
Der Rundgang durch die neue Sonderausstellung «Dans la tête – une exploration de la conscience» beginnt spielerisch, mit Sinnestäuschungen: Eine Reihe von Experimenten zeigt, wie leicht sich das Hirn überlisten lässt.
Das Gehirn filtert und kombiniert
Ein Loch in einem Brett lenkt den Blick auf einen grossen Stuhl, an dem zunächst nichts merkwürdig scheint. Doch wer hinter das Brett schaut, erkennt, dass die Lehne, die Sitzfläche und die Beine jeweils um mehrere Meter versetzt stehen.
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«Die optische Täuschung zeigt, dass sich das, was wir wahrnehmen, nicht unbedingt mit der Realität deckt», erklärt Glassey. «Das Hirn filtert und kombiniert Informationen, um uns die Illusion von Kohärenz zu geben. Etwas, das wir wiedererkennen.»
Das Antlitz der Wolken
Dasselbe geschieht, wenn wir in die Wolken schauen und dort Bilder oder Gesichter sehen. Ein Künstler-Duo aus Nordkorea greift dieses beliebte Spiel in ihrer Arbeit «Cloud face» auf und setzt einen Algorithmus, der zur Gesichtserkennung entwickelt wurde, auf Wolkenbilder an.
Tatsächlich erkennt die Maschine auch dort Gesichter, wo keine sind. «Die Arbeit wirft die Frage auf, welche Kategorien wir benutzen, um die Welt um uns herum zu erkennen», sagt Olivier Glassey. Zugleich kommt man ins Grübeln darüber, ob auch Maschinen ein Bewusstsein haben.
Wir tüfteln an der Realität
«Bewusstsein ist zugleich etwas Alltägliches und Hochkomplexes», sagt Olivier Glassey. «Wir haben Zugang zur Welt durch unser Bewusstsein. Dauernd konstruieren wir unsere Wirklichkeit, indem wir Informationen filtern. Wir wollten wissen, was uns die Wissenschaft über diese Zusammenhänge und über die verschiedenen Zustände des Bewusstseins sagen kann.»
In der Ausstellung kommen viele Forscher in Hörstationen und Videos zu Wort. Zugleich nähert sie sich dem weitläufigen Thema auf sinnliche und oft humorvolle Weise: Über ein Kopfkissen laufen Kurzfilme von Tieren und Menschen, die gerade in den Schlaf hinübergleiten.
Fragile Flächen aus Seifenblasen
Dieser Wechsel des Bewusstseinszustands sieht bei Schafen, Erdmännchen und Menschen erstaunlich ähnlich aus – und so ansteckend, dass man sich gleich dazulegen möchte.
Gleich gegenüber dieser Installation gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einschlafprozess – ein Wechsel des Bewusstseinszustands, der vielen Menschen schwerfällt.
Fragen erzeugen, statt beantworten
Einen künstlerischen Widerhall findet das Traumthema in einer Apparatur von Nicky Assmann, die fragile Flächen aus Seifenblasen erzeugt.
Der Szenografie gelingt es, die Neugier für Fragen zu wecken, an denen sich Neurologen bis heute die Zähne ausbeissen. Dass man auch nach dem Rundgang nicht genau erklären kann, was Bewusstsein eigentlich ist, macht gar nichts.
«Wenn die Besucher mit mehr Fragen gehen, als sie gekommen sind, dann haben wir einen Teil unserer Mission erreicht: Lust auf Lernen zu machen», sagt Olivier Glassey.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 3.8.2017, 17.20 Uhr