Sind es Glocken? Und weshalb hängen sie an einem Geländer? Klingen sie, wenn man sie anschlägt? Oder sind sie festgefroren in der Zeit? Alles hier ist slightly out of place. Das Material, die Farben: verfremdet. So zieht das Kunstwerk den Betrachter an, verwundert ihn und macht neugierig.
Irini Bachlitzanaki nimmt eine der Glocken in die Hand. Ihre Arbeit ist in der Krise bunter geworden, leichtfüssiger, humorvoller, vielleicht als Reaktion auf all die Schwere, die sie umgibt. Sie richtet sich heute an ein breiteres Publikum als früher, sagt die Künstlerin. «Wenn ich in dieser schwierigen Situation das Privileg besitze, Kunst zu machen, dann muss klar sein, weshalb». Die gesellschaftliche Dimension mitzudenken ist eine Antwort darauf.
Athener Kunstszene: bunt und dynamisch
2011 ist Irini Bachlitzanaki aus London nach Griechenland zurückgekehrt. Die Künstlerin wollte ausprobieren, ob Athen als Basis für ihre künstlerische Arbeit funktionieren würde. Dass sich dort interessante Dinge taten, wusste sie.
Erstmals entstanden Non-profit-Galerien und Ausstellungsräume, die direkt von Künstlern betrieben werden. Diese Dynamik hat sich seither intensiviert. Weil sich die Krise vertieft hat und nach Auseinandersetzung verlangt. Rund drei Dutzend Galerien, Projekträume, umfunktionierte Garagen und Wohnungen gibt es. Athens Kunstszene ist bunt und in Bewegung.
Verwurzelt aber kein Nationalist
Auch Maya Tounta hat sie angezogen. Die Kunstkritikerin und Kuratorin hat in Grossbritannien studiert und später in Litauen gearbeitet. Seit einigen Monaten ist sie wieder in Griechenland.
«Die Globalisierung gibt uns das Gefühl, dass wir an jedem beliebigen Ort leben könnten. Aber an einem Ort verwurzelt zu sein, ist etwas Positives und hat mit Nationalismus nichts zu tun, sondern ist Teil der spezifischen Psychogeografie jedes Menschen», sagt sie.
Zurück in der fremden Heimat
Indes hat das Land, in das sie zurückgekehrt ist, nur wenig mit dem Land zu tun, das sie vor zehn Jahren verlassen hat. Vor allem aber: Nicht nur Griechenland hat sich verändert, auch ihre eigene Haltung zur Heimat hat sich gewandelt. «Meine Kritik an Griechenland war früher viel oberflächlicher», sagt Tounta.
«Die Korruption, die Bürokratie… man braucht ja nicht lange zu suchen». Heute interessieren sie mehr die diesen Problemen zugrunde liegenden Strukturen und Komplexitäten. Von einfachen Schuldzuweisungen nimmt sie inzwischen Abstand.
Konflikte austragen, aber mit Respekt
Könnte man von Athen also doch auch lernen, wie das die documenta mit ihrem Motto nahe legt? Natürlich kann man, entgegnet Tounta. «Wir können lernen, unsere Unterschiede mit grösserer Bescheidenheit anzugehen. Und verstehen, dass sich unterschiedliche Kulturen nicht eins zu eins aufeinander übertragen lassen».
Natürlich müssten Konflikte ausgetragen werden. «Aber mit Respekt», wünscht sie sich. «Das möchte die documenta auch kommunizieren. Dass man Orte, die der Kunst oder der Poltik als Peripherie gelten, ob das nun Kabul ist oder Athen, nicht abwertet, sondern dass man versucht, für den anderen in seiner Fremdheit Verständnis aufzubringen».
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.03.17, 13:02 Uhr