Alexandra Bachzetsis Name lässt es erahnen: Ihr Vater ist Grieche, ihre Mutter ist Schweizerin. Aufgewachsen ist die Künstlerin in Zürich. Die documenta 14 in Athen bietet ihr die ideale Gelegenheit, sich mit den eigenen Wurzeln auseinanderzusetzen.
«Ich spreche weder die Sprache perfekt, noch habe ich hier gelebt. Ich sehe aber so aus», sagt Bachzetsis. Zuhause fühle sie sich weder in der Schweiz noch in Griechenland.
Es sei ein Zurückkommen zu den Wurzeln, die sie nicht kenne, sagt sie. Ähnliches mussten Griechen aus Anatolien in den 1920er-Jahren durchmachen: zurückkommen zu den Wurzeln, die sie nicht kennen.
Kunst, entstanden aus der Krise
1922 fand ein Bevölkerungsaustausch zwischen in der Türkei ansässigen Griechen und in Griechenland ansässigen Türken statt. Kriterium des Austauschs war die Religion. Christen galten als Griechen, Türken als Moslems. Eine brutale Unterschiedung, waren doch Griechen oft Moslems und Türken oft Christen.
Dieses Ereignis wird in Griechenland als «Kleinasiatische Katastrophe» bezeichnet. Griechische Flüchtlinge strömten in die Grossstädte und wurden als Fremde im eigenen Land angesehen. Als Reaktion auf diese Ablehnung hat sich eine Subkultur namens Rembetiko gebildet.
Rembetiko als Ausdruck des Leids
Tanz und Musik gab dem Leid der kleinasiatischen Griechen Platz. Rembetiko wird aus diesem Grund auch als «griechischer Blues» bezeichnet.
Diese Subkultur spielt in Alexandra Bachzetsis Performance «Private Song» (siehe Video unten) eine zentrale Rolle. Vor allem Geschlechterrollen in den verschiedenen Rembetiko-Tänzen oder der Kontrast zwischen der Heimat und dem Hier und Jetzt interessieren sie.
Viel Potenzial, wenig Mittel
Die Aufführung zu «Private Song» fand im Stadttheater von Piräus statt. Das ist kein Zufall. Als es 1922 zur «Kleinasiatischen Katastrophe» kam, wurde das Theater zu einem Flüchtlingsheim und teilweise zu einer Schule umfunktioniert.
Als Reaktion auf diese Krise hat Alexandra Bachzetsis ein Künstlerstudio aufgebaut, um Kunstschaffenden aus Athen eine Plattform zu bieten und mit ihnen zu arbeiten.
«Hier gibt es absolut keine Umsetzungsmöglichkeiten für Arbeiten. Es gibt sehr viele talentierte Menschen, aber die Mittel fehlen», stellt Bachtzetsis fest. Sie spüre eine enorme Bereitschaft seitens der Künstler.
Wunder Punkt in der Geschichte
«Private Song» befasst sich mit aktuellen Themen. Bachzetsis hinterfragt die klassischen Geschlechterrollen und thematisiert einen wunden Punkt der griechischen Geschichte. Die «Kleinasiatische Katastrophe» scheint in Griechenland noch immer nicht verdaut zu sein. Istanbul wird beispielsweise noch immer konsequent Konstantinopel genannt.
Ein weiteres Sinnbild für die noch immer sehr präsente Thematik ist Alexandra Bachzetsis selber. Besser gesagt ihr angeblich griechischer Name. Denn wie es das Schicksal will, stammt «Bahçe» aus dem Türkischen und heisst Garten. Dies hat sie nicht durch ihre Verwandten erfahren, sondern durch einen türkischen Freund.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 12.04.2017, 22:25 Uhr.