- An der Manifesta machen zeitgenössische Künstler die heutigen Arbeitsbedingungen zum Thema: lustvoll, witzig und fantasievoll.
- Die Manifesta besteht zudem aus einer umfassenden «historischen» Ausstellung zum Thema, mit Kunstwerken aus den letzten 50 Jahren.
- Der Kunstbiennale selbst wird Lohndumping, das Ausnutzen billiger Arbeitskräfte, vorgeworfen.
Vorbereitend zur Manifesta gewährten dreissig Arbeitgeber dreissig zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler Einblick in ihren Arbeitsalltag. Rolf Steinmann, Leiter des Zürcher Bestattungsamtes, war einer von ihnen. Als er die niederländische Künstlerin Jennifer Tee zum ersten Gespräch getroffen hatte, war er erleichtert.
Von Anfang an habe er gespürt, dass Jennifer Tee mit der nötigen Sensibilität und Reflexion an das tabuisierte Thema Tod und Bestattung herangehe, erzählt Steinmann im Gespräch. Jennifer Tees Installation verbindet Fotocollagen und Objekte – afrikanische Masken, historische Grabbeigaben und selbstgeschaffene Keramiken – zu einer nachdenklichen Runde über Trauerrituale und Abschiedszeremonien quer durch die Zeiten und Kulturen.
Lustvolles, Witziges, Fantasievolles
Die Arbeit der niederländischen Künstlerin ist nur ein Beispiel von 30 weiteren «Joint Ventures», die der Kurator der Manifesta, der Künstler Christian Jankowski in Auftrag gab. Im Überblick entsteht der Eindruck, dass für die Künstlerinnen und Künstler in Zürich nicht die Analyse zeitgenössischer Arbeitsproblematiken im Zentrum stand: Lustvolles, Witziges, Fantasievolles ist eher zu sehen als eine Reflexion über prekäre Anstellungsverhältnisse.
Alle «Joint Ventures» werden einerseits vor Ort, also zum Beispiel auf dem Zürcher Friedhof Enzenbühl gezeigt; andererseits in einem der beiden Ausstellungsorte (Löwenbräuareal oder Helmhaus) und schliesslich gibt es auf der schwimmenden Plattform der Manifesta am Bellevue einen Dok-Film über die Arbeiten zu sehen. Diese «Pavillon of Reflections» getaufte Plattform ist eine gute Mischung aus Kunstvermittlungszentrale, Badeanstalt und Bar. Hier kann man bei schöner Aussicht und einem kühlen Drink die gesehene Kunst sacken lassen und Neues erfahren.
Geballte Ladung Kunst
Neben den dreissig neuen Auftragswerken zeigt Kurator Christian Jankowski im Löwenbräu und im Helmhaus ausserdem eine umfassende «historische» Ausstellung zum Thema – mit Kunstwerken aus den letzten 50 Jahren. Viel Spannendes versammelt dieser Überblick und es lassen sich darin auch Kunstwerke entdecken, die mehr kritischen Biss haben als die zeitgenössischen Auftragswerke. Etwa Oscar Bonys lebende Skulptur «Working Class Family» aus dem Jahr 1968: Bony bezahlte eine argentinische Arbeiterfamilie dafür, während der Dauer der Ausstellung acht Stunden täglich auf einem Sockel zu sitzen. Die Familie verdiente mit diesem «Engagement» doppelt so viel wie mit ihrer regulären Arbeit.
Vorwurf Lohndumping
Zu reden gaben im Vorfeld der Manifesta weniger einzelne Kunstwerke als vielmehr der Vorwurf, die Manifesta betreibe Lohndumping, nutze die vielen unbezahlten Helferinnen und Helfer aus, bezahle, wenn überhaupt, zu wenig und stelle festangestelltes Aufsichtspersonal frei, um es durch billigere selbstangestellte Aufsichten zu ersetzen. Auf den Online-Plattformen «Brand-New-Life», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen und «Tsüri», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen wurden diese Vorwürfe erhoben und erhärtet. Die Direktorin der Manifesta, Hedwig Fijen, sagte auf Anfrage von Radio SRF 2 Kultur, die Manifesta bewege sich vollständig im Rahmen der Legalität. Die Pressestelle präzisierte auf Anfrage: Zwei nicht festangestellte Mitarbeiter der Kunsthalle Zürich hätten sich beschwert, der Streit sei nun beigelegt.
Fest steht, die Manifesta kämpft als EU-Biennale mit dem hohen Franken und muss sparen, wo sie kann. Fest steht auch: Beim Thema Arbeitsverhältnisse gibt es keine neutrale Position. Die Manifesta macht sie mit Kunst zum Thema. Gleichzeitig nimmt sie die Rolle der Arbeitgeberin ein. Fragt sich bloss, wie sie in ihrer Doppelrolle als Reflexionsort und Veranstalterin ihre Glaubwürdigkeit bewahren kann.
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