Sie wurde als uneheliches Kind in der Provinz geboren, als «entartet» abgestempelt und gelangte als Malerin erst spät zu Ruhm. Maria Lassnigs Weg an die Spitze der internationalen Kunstszene war lang und steil. Jetzt starb die wohl bedeutendste österreichische Malerin im Alter von 94 Jahren in einem Wiener
Spital.
Alterslose Künstlerin
Bis ins hohe Alter überraschte sie mit ihren expressiven und furchtlosen Darstellungen des menschlichen Körpers, oft in Form von Selbstporträts. Mit über 80 posierte sie für das Bild «Landmädchen» ebenso hüllenlos wie herausfordernd auf einem Motorroller. «Ich habe die Jahre nie gezählt, ich war nie wirklich jung – und bin jetzt nicht alt», sagte Lassnig vor einem Jahr in einem Interview mit der österreichischen Zeitung «Standard».
Geboren wurde Lassnig 1919 in Kappel in Kärnten. Die Mutter arbeitete, und das uneheliche Kind wuchs einige Jahre bei ihrer
Grossmutter auf. Während des Zweiten Weltkrieges begann sie in Wien Malerei zu studieren, doch ihre Bilder wurden nach dem
nationalsozialistischen Kunstverständnis als «entartete Kunst» gebrandmarkt. Lassnig musste ihre ursprüngliche Meisterklasse
verlassen und sich neue Lehrer suchen.
«Existenz in ihrer Wahrhaftigkeit»
Kurz nach dem Krieg begann Lassnig ihre Arbeitsmethode des «Körperbewusstseins» zu entwickeln, um physische Empfindungen auf die Leinwand zu bringen. Über die Jahre entstanden so viele surreale, dynamische Bilder voller Lebenslust. «Nicht die Ästhetik eines abstrakten Schönheitsideals stand im Mittelpunkt ihrer Kunst, sondern die Existenz in ihrer Wahrhaftigkeit», sagte Österreichs Kulturminister Josef Ostermayer.
Doch Lassnig streckte ihre künstlerischen Fühler in mehrere Richtungen aus. In den 1960er-Jahren lebte sie in Paris, wo sie den Dichter Paul Celan kennenlernte. Auch mit der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann war sie befreundet. Die nächste Station war New York, wo sie an Animationsfilmen arbeitete. Den Durchbruch schaffte sie erst, nachdem sie 1980 mit über 60 Jahren
nach Wien zurückkehrte, um eine Kunstprofessur anzunehmen.
Der Ruhm liess auf sich warten
Seitdem wurden ihre Werke unter anderem auf der documenta in Kassel ausgestellt, in der Londoner Serpentine Gallery, und derzeit
im Museum of Modern Art in New York. Auf der Biennale in Venedig wurde sie für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Lassnig musste lange auf den Ruhm warten, doch sie war sich ihres Könnens sehr bewusst. «Ich werde auch nach dem Tod noch lange nicht so gewürdigt sein, wie ich es sollte. Das klingt hochmütig. Aber es ist so – dass man meine Kunst nicht in dem Masse würdigt,
wie ich es verdiene», sagte sie.