Ein dunkler Tannenbaum unter einem Sternenhimmel mit der Aufschrift: «Seit 26 Jahren habe ich die Sterne im Himmel nicht mehr gesehen.» Ein Gitter mit Blick auf einen Gang, der zu einer kleinen Türe führt – der letzte Weg bis zur Exekution. Das sind seltene Einblicke in das Leben in den Todeszellen der USA. Sie sind Teil einer Ausstellung, die der Schweizer Karikaturist Patrick Chappatte mitorganisiert hat.
Es sei nicht ganz einfach gewesen, berichtet Chappatte: «Wir haben vier Hochsicherheits-Gefängnisse besucht und im US-Bundesstaat Tennessee einen Workshop durchgeführt: mit acht Häftlingen, die zum Tode verurteilt sind.» Chappatte und seine Frau, die Journalistin Anne-Frédérique Widmann, haben diese Bilder um Zeichnungen von Karikaturisten zum Thema Todesstrafe ergänzt.
Warten auf den Tod
Daraus ist die Ausstellung «Windows on Death Row» geworden. Sie zeigt den Blick von aussen auf das Thema. Doch der Blick von innen war ihnen wichtiger, sagt Chappatte: «Wir wollten die Häftlinge über ihre Bilder ausdrücken lassen, was das Leben in der Todeszelle bedeutet. Mehr als 3000 Menschen warten in den USA auf ihre Hinrichtung – jahrzehntelang, meist in Einzelzellen, ohne Tageslicht und ohne Kontakt zur Aussenwelt.
Viele der Menschen dort seien kaputt, stellt der Schweizer Karikaturist fest. «Sie befinden sich im Wartesaal des Todes. Diejenigen, die mit uns in Kontakt getreten sind, überwinden das irgendwie. Es waren unglaublich charismatische Persönlichkeiten darunter. Das sind jene, die ein System überleben, das Menschen zerstört.» Die Bedingungen in den Todeszellen seien in den USA wenig bekannt, sagt Chappatte: «Die Leute in den USA wollen nicht hinsehen. Es ist eine Welt, die fast keiner lebendig wieder verlässt. Also sieht niemand, was geschieht.»
Malen – oder wahnsinnig werden
Ndume Olatushani ist einer der Wenigen, die davon berichten können. 20 Jahre lang sass er unschuldig in der Todeszelle. Lange war er in Einzelhaft in einem Raum, in den er nicht einmal die Arme ausbreiten konnte. Eine Stunde pro Tag durfte er hinaus. Viele Häftlinge werden in dieser Situation wahnsinnig – er begann zu malen. Die Kunst habe ihm auf mehrfache Weise das Leben gerettet, sagt er. Sie hielt ihn bei Trost. «Durch meine Bilder wurden Menschen auf meine Geschichte aufmerksam und engagierten sich.»
Vor drei Jahren erst wurde Olatushani frei. Er hegt keine Wut über sein Schicksal. Er hat einen warmen, offenen Blick und eine sanfte Stimme. Nun arbeitet er mit Kindern und engagiert sich gegen die Todesstrafe. Er hat wenig Zeit für die Malerei. Aber er glaubt an die Kraft der Bilder, Stereotype durchbrechen und Verständnis erzeugen zu können. «Die meisten Menschen glauben, dass jene, die in der Todeszelle sitzen, Tiere sind mit Schaum vor dem Mund. Und dass sie nichts Besseres verdienen als zu sterben. Die Kunst kann das ändern», sagt Ndume Olatushani.
Olatushani malte Frauen und Kinder – das, was ihm im Gefängnis am meisten fehlte. Eines seiner Bilder ist in der Ausstellung zu sehen. Es zeigt einen afrikanischen Fischmarkt, auf dem Frauen um die Ware feilschen.
Todesstrafe immer unbeliebter
Patrick Chappatte beobachtet, dass sich in der Frage der Todesstrafe in den USA etwas bewegt. Immer mehr Gliedstaaten schaffen sie ab, immer mehr sistieren die Hinrichtungen. Er möchte über Bilder und Zeichnungen diese Debatte weiter entfachen, auf eine etwas andere Art: «Wenn Wörter Wut erzeugen, muss man Bilder benutzen.»