Spätestens seit der Snowden-Affäre ist klar: Wir hinterlassen alle ständig Spuren im Netz, die verfolgt, gesammelt und ausgewertet werden können. Nur: Was bedeutet das konkret für unsere Lebenswelt? Wer sind wir im digitalen Leben? Und wenn ja, wie viele?
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Das Vögele Kulturzentrum in Pfäffikon will in seiner aktuellen Ausstellung «i.ch – Wie online Leben uns verändert» diesen Fragen nachgehen. Kein einfaches Unterfangen. Das Thema ist riesig, die Fragestellungen keinesfalls simpel.
Die Chancen der Digitalisierung
Dieses Ausmass an Möglichkeiten wird bereits beim Eintreten in die Ausstellung ersichtlich: Ein kleiner Bildschirm listet die weltweite Anzahl Internetbenutzer, Websites und Facebookuser sowie die tägliche Menge an gesendeten E-Mails und gestarteten Google-Anfragen auf.
Die Zahlen bewegen sich im zehn-, bei den E-Mails gar im zwölfstelligen Bereich. Eine unfassbar grosse Menge an Daten, die zeigt: Das Thema Internet ist nicht nur überall, es umgibt uns auch jederzeit, ohne Ausnahme.
In der Ausstellung soll aber nicht das Internet, sondern der Mensch im Zentrum stehen, sagen die beiden Kuratorinnen Simone Kobler und Tanja Schlager. Sie sind überzeugt, dass die Digitalisierung grosse Chancen und Möglichkeiten für Individuen bietet – auch in Anbetracht dessen, was dieses neue «Ich» ausmacht.
Das orchestrierte Instagram-Märchen
Damit beschäftigen sich in der Ausstellung 18 internationale Kunstschaffende. Die Bandbreite ist gross. Die argentinische Künstlerin Amalia Ulman etwa machte mit ihrer Arbeit «Excellences & Perfections» die Probe aufs Exempel und inszenierte sich 2014 gleich selbst als neues «Ich».
Sie schlüpfte in ein von ihr orchestriertes Instagram-Märchen, gab sich auf der sozialen Plattform als junges Mädchen aus und spann eine Geschichte um Jugend, Schönheit, Drogen, Schönheitsoperationen, Gewalt und schliesslich Muttersein. Nach vier Monaten liess Ulman das Spiel auffliegen, worauf ihre mittlerweile weit über zehntausend Fans erschüttert reagierten und verbissen daran festhielten, hier eine wahre Geschichte mitbekommen zu haben.
Ohne den medienpädagogischen Zeigefinger
Die Sehnsucht nach Geschichten, Aufmerksamkeit und performter Authentizität ist auch in der Arbeit der Italienerin Elisa Giardina Papa omnipräsent. Sie zeigt Youtube-Clips von jungen Menschen, die sich an ihre Follower wenden, mit der verzweifelten Bitte, ihnen Inspiration für weitere Clips zu liefern: «I want to have as many followers and clicks as possible». Die öffentliche Zurschaustellung ihrer fehlenden Kreativität ist dabei kein Problem für die Jugendlichen, solange sie an die gewünschte Aufmerksamkeit kommen. Treibt hier also die Digitalisierung eine düstere, narzisstische Gesellschaft voran?
Eben nicht. «i.ch. Wie online Leben uns verändert» ist eine Ausstellung über das digitale Zeitalter, die nicht in die medienpädagogische Zeigefinger-Falle tritt: Weder verurteilt sie noch zieht sie Bilanz, sondern es werden verschiedene Brenn- und Berührungspunkte aufgezeigt, auf die man sich seinen eigenen Reim machen soll.
Keine fertigen Erklärungen
Wie beim deutschen Künstler Florian Mehnert. Er zeigt mit «Menschentracks» auf zahlreichen Bildschirmen von ihm gehackte Handyvideos von Fremden. Ist das nun eine Anspielung auf persönliche Freiheit? Auf die alte «wir werden alle überwacht»-Leier? Wieso lässt es uns kalt? Oder gerade nicht? Für zusätzliche Inputs zu solchen Fragen stehen in der Ausstellung kleine Videostationen bereit, die Interviews mit Menschen aus Wissenschaft, Psychologie und Kunst zeigen.
Das Resultat sind keine fertigen Erklärungen, sondern intelligente Fragen, die um Identität, Sicherheit, Überwachung und Sprache im Zuge der Digitalisierung kreisen. Wer fixe Antworten sucht, wird hier nicht fündig. Aber für fixe Antworten gibt es ja Wikipedia.