SRF: Sie sind im Pensionsalter. Können Sie zufrieden auf ihr Lebenswerk zurückblicken?
Manon: Ich und pensioniert? Ein unvorstellbarer Gedanke! Daran denke ich nicht im Traum. Ein Leben ohne Arbeit kommt für mich nicht infrage – auch wenn sie mir heute psychisch und physisch schwerer fällt als früher.
Schauen Sie oft in die Vergangenheit zurück?
Ich lebe im Moment. Zurzeit beschäftige ich mich mit meiner Ausstellung. Jedes Mal ist es ein Kampf. Denn ich bin eine Perfektionistin, ich kann es nicht «locker nehmen». Raum, Farben, Licht und Proportionen müssen stimmen. Glücklich bin ich als Künstlerin erst dann, wenn ich selbst spüre: Das hast du geschafft.
In ihrer aktuellen Ausstellung zeigen Sie Werke, die Sie bereits vor 20 Jahren gemacht haben. Wie kam es dazu?
Ich habe einer Kuratorin Bilder meiner Ausstellung «Künstler Eingang» von 1990 gezeigt. Sie kamen so gut an, dass ich mich nochmals mit dieser Arbeit befassen wollte. Das Thema Zeit, das mich bei jener Serie beschäftigt hatte, ist für mich heute gravierender als damals.
Ich entdeckte Sujets, die ich längst vergessen hatte. Diese habe ich neu zusammengestellt. Damals hiess die Ausstellung «Künstler Eingang». Jetzt nenne ich sie «Künstler Ausgang».
Wie blicken Sie heute auf Ihre damalige Ausstellung zurück?
Damals hatte ich nach einer siebenjährigen Schaffenskrise im Kunstmuseum St. Gallen zum ersten Mal wieder ausgestellt. Jene Ausstellung ist mir aus heutiger Sicht zu sentimental. Man spürt zu viel von meinem Leiden aus den sieben schwierigen Jahren.
Haben Sie ein Lieblingswerk?
Derzeit ist es mein «Selbstporträt in Gold» von 2012, das ich inzwischen mit LED installativ präsentiere. Ich war im Spital für eine Schulteroperation. Danach musste ich mich einen Monat lang täglich in eine Art elektrischen Stuhl setzen. Daraus wollte ich dann etwas machen.
In meinem Fundus entdeckte ich diesen goldenen Astronautenanzug. Er war furchtbar eng. Ich zwängte mich mit heftigen Schmerzen hinein. Das ist typisch für mich. Wenn eine Situation misslich ist, denke ich: Mach was draus.
Ist die Schweiz für Sie ein inspirierender Ort?
Ich arbeite vollkommen unabhängig vom Ort, hole meine Ideen aus meinem Kopf. Es gibt Arbeiten, die ich in Paris begonnen und hier weitergeführt habe.
Meine Laufbahn hingegen wäre wohl einfacher gewesen, wenn ich in Paris geblieben wäre. Denn in der Schweiz war man einer jungen, hübschen Frau, die aus einer intellektuellen Familie stammt, damals – vor allem von Männern – mit unheimlichem Vorbehalt begegnet.
Sie schauten mich an, ohne in mich hineinzuschauen. Damals fürchtete ich, man werde mich als Künstlerin erst wahrnehmen, wenn ich alt bin.
Ist das so? Fühlen Sie sich heute geschätzt?
Schwer zu sagen. Mit dem «Lachsfarbenen Boudoir», als ich 1974 mein Schlafzimmer in eine Galerie zügelte, war ich plötzlich da, hatte viele Fans. Aber es gab auch typisch schweizerische Abwehrhaltungen, die jetzt möglicherweise weg sind. Heute bin ich vielleicht integrierter. Ganz sicher bin ich allerdings nicht.
Damals war ich wohl wirklich glücklich. Ich hatte gelernt, den Moment zu leben und zu lieben.
Wann sind Sie glücklich?
Einfache Dinge können mich glücklich machen: ein Sturm, der Wind in den Bäumen, ein Schwanenpaar, das mit zehn Jungen vorbeischwimmt.
Kürzlich fand ich in meinem Computer ein altes Tagebuch. Mit 65 hatte ich beschlossen, es ein Jahr lang zu schreiben. Der erste Satz: Die Schönheit nimmt ab, aber das Glück nimmt zu. Damals war ich wohl wirklich glücklich, hatte endlich gelernt, den Moment zu leben und zu lieben.
Was wünschen Sie sich?
Diese Frage stelle ich mir hie und da. Beruflich hätte ich wohl eine Übersichtsausstellung in einem grossen Haus verdient.
Das Gespräch führte Lekha Sarkar.