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Schwarzeweissaufnahme: Saint-Eyupéry in Militärpiloten-Uniform hält ein grosses Buch.
Legende: Dass Saint-Exupéry Pilot war, ist weithin bekannt. Doch der Weltenbummler hatte auch andere, widersprüchliche Seiten. Orel Füssli Verlag

Literatur Antoine de Saint-Exupéry, der bekannte Unbekannte

Mit «Der kleine Prinz» hat Antoine de Saint-Exupéry eines der meistverkauften Bücher der Welt geschrieben. Über den grossen Autor hinter dem kleinen Prinzen ist vieles bekannt. Anlässlich des 70. Todestages von Saint-Exupéry zeigt eine neue Biographie ihn von einer bislang unbekannten Seite.

Wenn man an Antoine de Saint-Exupéry denkt, kommt einem sicherlich als erstes «Der kleine Prinz» in den Sinn, mit seinen einfachen und millionenfach weiterverbreiteten Wahrheiten: «On ne voit bien qu'avec le cœur, l'essentiel est invisible pour les yeux». Dann vielleicht, dass der Autor vor 70 Jahren als Pilot im Zweiten Weltkrieg ums Leben kam, allenfalls noch ein weiterer Buchtitel wie «Vol de nuit». Antoine de Saint-Exupéry hat aber eine ganze Reihe von Büchern geschrieben. Zu seinen Lebzeiten wurden sie viel gelesen.

Eine Biographie, die Massstäbe setzt

Wer war der bekannte Unbekannte? Joseph Hanimann legt eine Biographie des Franzosen vor, die Massstäbe setzt. Der Bündner lebt seit Jahren als Korrespondent deutscher Zeitungen in Paris.

Massstabsetzend ist seine Biografie mit dem Titel «Der melancholische Weltenbummler» aus zweierlei Gründen: einerseits weil er sich sehr einlässlich, aber auch kritisch seinem Gegenstand widmet, mit so etwas wie einer zugeneigten Distanz – andererseits, weil Hanimann enorm viel historischen Kontext mitgibt. Er bettet Antoine de Saint-Exupérys Leben und Werk in die Zeitzusammenhänge ein, spiegelt sie in den historischen und intellektuellen, künstlerischen Strömungen der Zeit.

Geworfen in eine Zeit der Verwerfungen

Man erfährt also nicht nur sehr viel über Antoine de Saint-Exupéry selbst, sondern auch über die Zeit, in der er gelebt hat. Mit dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, der Wirtschaftskrise der 30er-Jahre und dem aufkommenden kommunistischen Gegenmodell war dies eine Zeit der Brüche und Verwerfungen – in die Antoine de Saint-Exupéry geworfen war. Hanimann beschreibt ihn als widersprüchlichen Charakter, der den Zeitläuften im Grunde fassungslos gegenüberstand, auch unschlüssig.

Er verband die starke Einfühlungsgabe, die er wohl hatte – eine allgemeine Menschenliebe, mit einer nicht immer ganz scharfen Begrifflichkeit. Er hing einem allgemeinen Humanismus an und war im Grunde eher ein Praktiker als ein Intellektueller. Er flog am liebsten seine Einsätze als Pilot. Gleichzeitig war er aber auch ein regelrechter Vielschreiber – ein Mann voller Widersprüche.

Melancholiker und Bonvivant

Buchhinweis

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Joseph Hanimann: «Antoine de Saint-Exupéry. Der melancholische Weltenbummler». Orell Füssli Verlag, Zürich 2013.

Er schwankte zwischen Melancholie, Verträumtheit, seinem starken kameradschaftlichen Gefühl gegenüber der ganzen Menschheit und gleichzeitig einer Leichtlebigkeit: Antoine de Saint-Exupéry muss auch ein Bonvivant gewesen sein, trotz unspektakulärem Äussern ein grosser Frauenheld und trotz seiner Einsilbigkeit ein Unterhalter auf Gesellschaften, der eine Unzahl Kartentricks beherrschte. «Er hatte keine Mitte, das war sein Schicksal, sein Glück, sein Drama», resümiert Joseph Hanimann.

Hanimann vermittelt in seiner Biografie ein ganz anderes Bild von Antoine de Saint-Exupéry, als man es aus dem «Kleinen Prinzen» gewinnen könnte. Wer die Biografie liest, erkennt, dass Saint-Exupéry neben den hellen und leichten, leichtgewichtigen Wahrheiten des «Kleinen Prinzen» viele dunkle Seiten hatte. Er stand immer ein wenig ausserhalb. Das war wohl das Moderne an ihm.

Verzweiflung an der technischen Welt

Schwarzweissbild: Saint-Exupéry im Anzug vor einem Flugzeug.
Legende: Antoine de Saint-Exupéry 1933 Wikimedia/Agence France-Presse

«Zu entdecken ist ein Autor von einer ausserordentlichen Breite an Themen», hält Joseph Hanimann fest: «Ein Autor von einer inneren Widersprüchlichkeit, die anregend ist, weil man sich zurechtlegen muss, wie man es verstehen soll: Technikglaube und zugleich Zweifel, sogar Verzweiflung an der technischen Welt.»

Gerade mit seiner Technik-Skepsis, mit seinem Kulturpessimismus, hat er einiges vorweggenommen, an dem wir heute noch kauen. Hanimann sagt: «Zu entdecken ist ein intuitiver Prophet. Er hat sehr viel von der Entwicklung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und sogar darüber hinaus kommen gespürt. Aber er konnte es nicht richtig auf den Begriff bringen. Er hat in Bildern gesprochen, seine Stärke liegt im bildhaften Ausdruck dessen, was er an Zeitentwicklung spürt.»

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