Das Debüt von Michelle Steinbeck ist ein Roman über die Generation der heute plus/minus 20-Jährigen. Gelungen ist er, weil er so gar kein Generationenroman sein will. Michelle Steinbeck will die Gleichaltrigen nicht in ein Klischee pressen. Alles in ihrem Buch sträubt sich gegen Typisierungen und Erwartungen.
Krasse Übertreibungen
Was die 25-Jährige fasziniert, ist das kollektive Unbewusste. Es zeigt sich weniger in konkreten Handlungen als vielmehr in Bildern und Träumen.
Genau da setzt Steinbeck an: Wenn sie erzählt, entwirft sie gerne surreale und ins Absurde verfremdete Bilder. Dass die Figuren einer Traum- und Albtraumlogik gehorchen, kommt der Autorin mit ihrem Faible für krasse Übertreibungen und explosive Stimmungen entgegen.
Gleich zu Beginn des Buches fliegt ein Bügeleisen durch die Luft und trifft den Kopf eines Kindes. Die junge Heldin Loribeth stopft das tote Kind in einen Koffer und will es ihrem Vater bringen, der zwar Kinder in die Welt setzt, sich aber nicht um sie kümmert.
Michelle Steinbeck schmeisst den Lesenden heftige Szenen und böse Bilder an den Kopf, ohne gleich alles zu erklären. Man wird als Leser genauso herumgespült im Buch, wie die junge Hauptfigur und ihre Altersgenossen.
Leben wie ein Räuber
Einmal sagt Loribeth: «Ich will immer woanders sein, nie da, wo ich gerade bin. Aber nützt das, woanders hinzugehen? Ich nehme mich ja immer mit.» Es ist eine rastlose Generation, ständig hat sie das Gefühl, etwas zu verpassen.
Michelle Steinbeck bringt uns desillusionierte, junge Menschen nahe, die schnell noch alles erleben wollen, als glaubten sie nicht mehr so recht an eine Zukunft.
Die Autorin spricht im Gespräch von «Yolo»-, also einem «You only live once»-Gefühl. «Man will alles haben und fühlt sich dabei wie ein Räuber.» Denn der eigene Egoismus, den man auslebe, gehe ja auf Kosten von anderen.
Niemand glaubt an Rebellion
Michelle Steinbecks Buch lässt sich als eine Art Entwicklungsroman lesen, in dem die Figuren nicht mehr wissen, weshalb sie sich entwickeln sollen. Tatsächlich bricht um Loribeth herum vieles zusammen. An Rebellion glaubt niemand mehr.
Statt auf die Strasse zu gehen, flüstern die jungen Künstler im Buch einander zu, dass man eigentlich eine neue Revolution machen müsste. Da parodiert Steinbeck manche Berufskollegen; allerdings vermisst sie bei jenen, die schrille Parolen skandieren, eine Vision.
Wie es sich für ein gelungenes Debüt gehört, probiert und riskiert Michelle Steinbeck viel. Nicht alles gelingt. Doch es ist genug an Furiosem, Fantastischem, Widerspenstigem darin, und so ist es kaum erstaunlich, dass der Roman im «Perlentaucher», dem wichtigsten deutschsprachigen Online-Kulturmagazin, unter den «besten Büchern des Monats Juli» aufgelistet wird.