Im Schweizer Verlagswesen geht eine Ära zu Ende. Hugo Ramseyer, Gründer und Geschäftsführer des Zytglogge-Verlags, tritt zurück.
Ramseyer hat den Verlag 1965 mitgegründet und ihn dann über Jahrzehnte geleitet. Ramseyer ist mittlerweile 77-jährig. Das Geschäft sei ihm zu viel geworden, sagt er auf Anfrage. Der Verlag mit Sitz in Oberhofen am Thunersee ist eine Schweizer Institution. Künstler wie Mani Matter, Emil, Franz Hohler oder der Mundartautor Ernst Burren sind mit dem Verlag verbunden.
Verlag ohne Programm
Offen ist, wer die Nachfolge von Hugo Ramseyer antritt. Man sei in Verhandlungen mit möglichen Kandidaten, sagt Ramseyer. «Wir hoffen auch, dass sich Interessenten melden und wir mit ihnen verhandeln können.»
Das Verlagsprogramm für den Herbst ist das vorläufig letzte aus dem Haus Zytglogge. Für den kommenden Frühling sind keine Neuerscheinungen vorgesehen. Man beschränkt sich im Berner Oberland zur Zeit darauf, die gedruckten Titel auszuliefern.
Vincent Kaufmann, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, hält die Art und Weise von Ramseyers Rückzug für gefährlich. Nur wenn die Nachfolge geregelt gewesen wäre, hätte eine organische Weiterführung des Verlags bewerkstelligt werden können, sagt er.
Gefahr eines Vakuums
Zudem werde das Pausieren beim Verlagsprogramm einen potenziellen Nachfolger von allem Anfang an in Nöte bringen: «Die Gefahr ist, dass ein Vakuum entsteht. Schliesslich kann man ein Programm nicht in ein paar Wochen entwickeln.» Wer immer auch auf Ramseyer folgt – zuerst werde es darum gehen, kostenintensive Aufbauarbeit zu leisten.
Auch Marianne Sax, Präsidentin des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, verfolgt die Vorgänge im Haus Zytglogge mit Sorge. Der Verlag sei eine traditionsreiche Marke, deren Verlust für die Schweiz sehr schmerzhaft wäre: «Eine Nachfolgeregelung wäre in diesem Verlag schon länger zu planen gewesen.»
Im Zytglogge-Verlag zeige sich eben eine Problematik, wie man sie oft in Familienbetrieben beobachte, erklärt Ökonom Vincent Kaufmann. Patrons gäben die Verantwortung auch andernorts oft viel zu lange nicht ab, und irgendwann komme das böse Erwachen.
Käufer gesucht
Hugo Ramseyer verwahrt sich gegen den Vorwurf, die Nachfolgeregelung verschlafen zu haben. Man habe mit mehreren Interessenten verhandelt. Deren Angebote seien aber «nicht akzeptabel» gewesen, «weil das Programm in eine völlig andere Richtung gelaufen wäre», sagt er.
Ramseyer will den Verlag einer Nachfolge übergeben, «die voll hinter dem Programmgeist des Zytglogge-Verlags» steht.
Für den Ökonomen Kaufmann liegt gerade darin die Krux: «Es braucht einen Neuanfang.» Und dieser gelinge nur, wenn jemand mit neuen Ideen kommen und diese auch durchsetzen könne.
Das Profil des Nachfolgers oder der Nachfolgerin ist also anspruchsvoll: Die Person muss bereit sein, überhaupt das Risiko einzugehen, ins fragile Verlagsgeschäft einzusteigen. In diesem Umfeld muss sie den Verlag neu positionieren. Gleichzeitig muss sie das Kunststück vollbringen, im Grundsatz die verlegerische Ausrichtung Ramseyers zu adaptieren.
Sendungen:
Radio SRF 2 Kultur, «Kultur kompakt», 13.08.2014, 17:45 Uhr
Radio SRF 1, «Regionaljournal Bern, Freiburg, Wallis», 13.08.2014, 17:30 Uhr