München, Ende der 1960er-Jahre: Der junge iranische Student Mahmoud Hosseini Zad kommt nach Deutschland um Politikwissenschaften zu studieren. Da fällt ihm der Kriminalroman «Der Richter und sein Henker » in die Hände. Er verliebte sich auf Anhieb in das Buch.
«Dieses einfache, prägnante Deutsch und die lakonische Ausdrucksweise haben mir sehr gut gefallen – dass ein kleiner Satz so viel sagt, ohne flach zu sein», erinnert sich der Autor und Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad heute. Damals hat er sogleich angefangen das Buch zu übersetzen.
Kampf gegen die Zensur
Aus dem Deutschen ins Persische zu übersetzen war – und ist immer noch – eine grosse Herausforderung für Mahmoud Hosseini Zad: Im Persischen gibt es kein Geschlechtswort, Passiv-Konstruktionen werden kaum benutzt und der Konjunktiv ist völlig unbekannt. Ausserdem sei die Wortwahl ein ständiger Kampf gegen die Zensurbehörde, so der Autor und Übersetzer.
Zurück aus Deutschland im Iran, noch vor der Revolution von 1977, veröffentlicht Mahmoud Hosseini Zad seine persische Übersetzung von Dürrenmatts erstem Kriminalroman: «Der Richter und sein Henker».
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Das Interesse an deutschen Autoren war in dieser Zeit gross. Einer Übersetzung stand zudem nichts im Weg, da der Iran die Welturheberrechtskonvention nicht unterzeichnet hatte und keine Rücksicht auf Copyright nehmen musste.
Begeisterung für den Denker Dürrenmatt
Die leicht zensierte Fassung von «Der Richter und sein Henker» war ein Erfolg. So übersetzte Mahmoud Hosseini Zad auch die Romane «Der Verdacht» und «Das Versprechen» ins Persische. Bis heute sind die Bücher Bestseller – sie werden gerne gelesen, wenn auch unter anderen Vorzeichen als in der Schweiz.
«Dürrenmatt ist bei uns beliebt als pessimistischer Philosoph, der einen ironischen, bitteren Blick auf das Leben hat», beschreibt der Übersetzer das Verhältnis der Iraner zu dem Schweizer Autor.
Die Menschen mögen die paradoxen Fragen, die sich ihnen beim Lesen seines Werkes stellen: Wie kann richtiges Handeln zu falschen Lösungen führen? Wie kommt es, dass die Wahrheit auf legalem Weg nicht zu finden ist?
Dass auch die Bühnenstücke wie «Die Physiker» im Iran ein Erfolg sind, mag aus Schweizer Sicht irritieren. So kontrolliert die iranische Zensurbehörde das kulturelle Leben und sollte sich an Dürrenmatts Kritik der Atomkraft stören.
Doch die iranische Regierung hat ihren eigene Art zu lesen, erklärt Mahmoud Hosseini Zad.
«Sie lesen es in etwa so: Die Atombomben hier sind gut, die im Westen sind schlecht. Dürrenmatt kritisiert die des Westens.» Regierung und Zensurbehörde verstehen Dürrenmatts Werk demnach als eine Kritik am Westen, als Kapitalismuskritik.
So lesen im Iran alle gerne Dürrenmatt: Befürworter und Kritiker des Systems.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 4.5.2015, 17:40 Uhr