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Margaret Atwoods neuer Roman Ein Regisseur versüsst seine Rache mit Shakespeare

In Margaret Atwoods «Hexensaat» wird ein Regisseur Opfer einer hässlichen Intrige. Erst Jahre später rächt er sich.

Wie eng Kunst, Gesellschaft und Politik zusammenhängen, hat Margaret Atwood schon oft thematisiert. In den USA zeigt sich einmal mehr ihre visionäre Kraft. Derzeit ist die TV-Serie «The Handmaid's Tale» zu sehen, die auf Atwoods berühmten Roman «Der Report der Magd» von 1985 basiert.

Besonders Frauen sehen in der Geschichte über eine frauenverachtendene Gesellschaft erschreckende Parallelen zur Politik von Donald Trump. Anders als viele Autoren ist Atwood nie vor dem schwierigen Thema des Bösen zurückgeschreckt.

Job weg, Leben weg

Ihr aktueller Roman «Hexensaat» ist vordergründig die Geschichte um einen berühmten Theaterregisseur, Felix Phillips. Er verliert in einer bösartigen Intrige nicht nur seine Inszenierung, sondern auch seine Position. Der Verräter übernimmt Felix' Stelle.

Phillips steht vor dem Nichts: Nach dem Tod von Frau und Tochter hatte er seine ganze verbleibende Lebenskraft in die Inszenierung von Shakespeares Drama «Der Sturm» investiert.

Buchhinweis

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Margaret Atwood: «Hexensaat», Knaus, 2017.

Überleben dank Shakespeare

Felix lebt die Jahre darauf vereinsamt und von der Welt zurückgezogen. Er hält sich in einer Art Zwischenrealität auf. Seine tote Tochter und seine Visionen des Shakespeare-Theaters helfen ihm beim Überleben. Seine Suche nach einer Form der Rache scheint eher wie eine Suche nach Auflösung einer unheilvollen Verstrickung.

Jahre später ergreift Felix eine Gelegenheit, wieder ins Leben einzusteigen. Er nimmt einen Lehrer-Job im Gefängnis an. Aber statt jungen Strafgefangenen Rechtschreibung beizubringen, spielt er mit ihnen Shakespeare.

Sendungen zu Margaret Atwood

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Inszenierter Rache-Sturm

Als Felix mit ihnen «Der Sturm» inszeniert, verdichtet sich seine Vorstellung von Rache in einer ausgeklügelten künstlerischen Aktion. Shakespeares Drama handelt ja selbst von einer Intrige.

«Der Sturm» handelt vom Zauberer Prospero, der einst verraten und verstossen wurde. Mit einem inszenierten Sturm verschafft er sich die Gelegenheit, mit den Verrätern abzurechnen.

Kunstvoll das Böse überwinden

Auf höchst kunstvolle Art inszeniert Margaret Atwood das Finale. Die einstigen Verräter haben inzwischen eine so steile wie korrupte Karriere als Politiker gemacht.

Plötzlich gelangen sie in Felix' Nähe. Es ist fast, als kehrten sie an einen Tatort zurück. Sie werden auf eine Art in sein Theaterstück hineingezogen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht.

Margaret Atwood erzählt die Geschichte einer Katharsis, bei der Kunst sowohl den Tod als auch das Böse überwinden hilft. Ihr spöttisch-kluger Witz und die faszinierende Sprache, in der sich Jugendslang und Shakespeare mischen, lassen diese Geschichte über Politik und Moral zu einem grossen Lesevergnügen werden.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 18.5.2017, 16.50 Uhr.

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