Die kleine Ausstellung ist auf zwei Stockwerken im Zürcher Literaturmuseum Strauhof untergebracht. Im unteren Geschoss geht es in einen ersten, weiss getünchten Raum. Er ist dem Vater Eugen Gomringer gewidmet.
Konkrete Poesie
Von der Decke hängen grosse Holztafeln. Auf ihnen sind in Grossformat einige Werke seiner Konkreten Poesie zu lesen. Etwa dasjenige mit dem Titel «schweigen».
Es besteht aus einem einzigen Wort: dem Verb schweigen.
Es steht ein gutes Dutzend Mal auf der Tafel. Kreisförmig angeordnet, so dass in der Mitte ein weisser Fleck frei bleibt. Ein klassisches Werk der Konkreten Kunst: Inhalte werden nicht nur über den Sinn der Wörter transportiert, sondern auch durch ihre grafische Darstellung.
91-jährig ist Eugen Gomringer heute. Er lebt in Deutschland. Während Jahrzehnten hat er in der Schweiz gewohnt.
Auch 1953. Als er eine dreisprachige Gedichtsammlung mit dem Titel «konstellationen, constellations, constelaciones» veröffentlicht hat. Sie gilt heute als das erste Werk der Konkreten Poesie, welche der Nachkriegsliteratur entscheidende Impulse verliehen hat.
Leben als Collagen
Im nächsten Raum der Ausstellung hängen an einer Wand ungeordnet Handschriften, Gedichte, Zeitungsausschnitte, Zeichnungen. Es sind alles Dokumente aus dem Leben von Eugen Gomringer. Es ist eine riesige Collage, in der man sich verlieren kann.
Auf der gegenüberliegenden Seite ist dann zum ersten Mal die Tochter Nora Gomringer das Thema. Auch ihr Leben ist nicht etwa streng chronologisch dargestellt, sondern ebenfalls als riesige Collage, die zum Verweilen und Entdecken einlädt.
Wer dies tut, erfährt von Nora Gomringers sieben Halbbrüdern, von ihren Reisen um die halbe Welt, von ihren Erfolgen als Poetry Slammerin und als Performerin, von ihrer Tätigkeit als Dozentin für Poetik, vom Gewinnen des Ingeborg-Bachmann-Preises 2015.
Eigene Wege
Dass Nora Gomringer aber nicht einfach das Erbe ihres Vaters fortgesetzt, sondern künstlerisch eigene Wege beschritten hat, zeigt das obere Stockwerk der Ausstellung. Da gibt es Ton- und Videoinstallationen mit Nora Gomringer. Man sieht die Künstlerin performen, rezitieren. Ausdrucksstark. Hypnotisierend.
Gomringer und Gomringer sind zwar Tochter und Vater. Künstlerisch sind sie jedoch grundverschieden. Konsequenterweise werden die beiden im Strauhof denn auch nicht miteinander, sondern nebeneinander gezeigt. Der Versuch, Ungleiches miteinander zu vermischen, unterbleibt.
Die beiden stehen für unterschiedliche Generationen und für eine jeweils andere Zeit. Ihnen gemeinsam ist jedoch die Faszination für die Sprache, die Verspieltheit und die Experimentierfreude.
Sendehinweis: Kultur aktuell, 6. Oktober 2016, 17.02 Uhr, Radio SRF 2 Kultur