Alle sechs Romane von Paula Fox waren – im Gegensatz zu ihren 21 Kinderbüchern – bis 1999 vergriffen. Ihre Belletristik galt lange Zeit als zu schwarz gemalt. Kunststück, wenn ihr eigenes Leben bis zur Hälfte von Verlust und schierer Lebensunsicherheit geprägt war. Sie war ein Findelkind und ihre Eltern haben die Tochter später sträflich vernachlässigt. Umso erstaunlicher ist es, dass in der zweiten Lebenshälfte aus dieser Künstlerin eine unverwechselbare Schriftstellerin werden konnte, die mit analytischem Spürsinn menschliche Seelenlagen in berührende Geschichten gekleidet hat. Paula Fox’ Bravourstück ist der Roman «Was am Ende bleibt». Dieser steckte in den USA lange in der Versenkung.
Späte Wende zum Erfolg
Der Roman wurde in den USA 1970 erstmals publiziert und auch von der Kritik gewürdigt. Daraufhin geriet die Geschichte über eine Ehekrise wieder in Vergessenheit. Erst dank der Fürsprache von Schriftstellerkollegen wie Jonathan Franzen erlebte «Was am Ende bleibt» kurz vor der Jahrhundertwende in den USA ein Revival.
Im Jahr 2000 war es dank des Verlags C. H. Beck endlich so weit, dass Paula Fox mit einer vorzüglichen Übersetzung ihres subtilen Hauptwerks auf dem deutschen Markt auftauchte. Die präzise Dekonstrukteurin von Seelenlagen entpuppte sich als Autorin, die neben Grössen wie Philip Roth, Richard Yates oder Sloan Wilson bestehen kann.
Viele Katzenleben
Katzen haben viele Leben. In Paula Fox’ Werk ist dies augenfällig. Ein Junge schiesst einem altersschwachen Strassenkater irrtümlich ein Auge weg. Ein Schuldirektor hat ein Gesicht wie eine «weisse alte Katze.» Im Roman «Was am Ende bleibt» löst ein Katzenbiss eine Ehekrise aus: Die Auftaktszene ist ein minutiös verdrahtetes Tableau des schönen Scheins, welches das bevorstehende Drama schon in sich birgt. Protagonist ist das Ehepaar Sophie und Otto Bentwood. Sie arbeitet als Übersetzerin, er ist Anwalt. Das Paar schickt sich an, ein gemeinsames Essen einzunehmen in ihrem Wohnzimmer mit allen gutbürgerlichen Insignien von der Keramikschüssel über die Tiffany-Lampe bis hin zu den Tellern mit chinesischem Weidenbaummotiv. In diesem Augenblick taucht an der Terrassentür die verwilderte Katze auf, die Momente später für das novellistische unerhörte Ereignis sorgen wird. Sophie kann es sich nämlich nicht verkneifen, der Katze ein Schälchen Milch hinzustellen. Das Tier bedankt sich mit einem kräftigen Biss in die Hand der Spenderin, die es eben noch beglückt hatte.
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Unglückskette als Motor der Erzählung
Sophie sieht sich schon als Tollwutpatientin. Sie schiebt aber den Arztbesuch auf, weil sie nicht in der Lage ist, dem ins Auge zu schauen, was der Fall ist. Weil die Wunde anschwillt, glaubt das Opfer der Katzenattacke, das Tier hätte sie vergiftet. Dieser Biss ist der Auftakt einer Serie von Missgeschicken und mysteriösen Zwischenfällen. Mal fliegt ein Stein durch ein offenes Fenster, dann wüten im Wochenendhaus des kinderlosen Paares Otto und Sophie Vandalen. Plötzlich bricht eine bedrohliche Aussenwelt in die vermeintlich abgeschottete Idylle. Es zeigt sich, dass diese in einem Wechselverhältnis zur Aussenwelt steht. Denn Sophie und Otto haben die Hässlichkeit des Lebens draussen bisher nur ausgeblendet. Ottos Kanzleipartner will aus der Bürogemeinschaft aussteigen. Sophie treibt die Versuchung um, mit dem Freund ihres Ehemanns anzubandeln. Und jetzt droht ihre vom schönen Schein zersetzte Beziehung in die Brüche zu gehen. So wie es auf der Strasse bei den bindungslosen Randständigen ihres Quartiers jenseits aller gepflegten Bürgerlichkeit längst der Fall ist.
Die Rückseite des Psychogramms ist ein Gesellschaftsroman
Der gesellschaftliche Bezug macht aus dem Psychogramm «Was am Ende bleibt» auch einen Gesellschaftsroman. «Das Private ist das Öffentliche» lautete eine Politparole der damaligen 68er-Generation. Genau diese Ader hat Paula Fox in ihrem Meisterwerk getroffen. Und sie prangt im übertragenen Sinn als Menetekel an der Wand, an welche Otto am Schluss im Jähzorn sein Tintenfass wirft. So, dass «Tinte in schwarzen Linien zum Boden hinunterrann». Vor allem dies ist es also, «was am Ende bleibt.»