Statt auf die Gunst der Verlage zu hoffen, setzen Autoren immer mehr auf Crowdfunding. In Grossbritannien etwa werden mittlerweile via Crowdfunding gleich viele Bücher publiziert wie jeweils von den fünf grössten Verlagshäusern, wie der «Guardian» berichtete.
Auf Seiten wie beispielsweise «Kickstarter» und «wemakeit» kann jedermann Projekte finanziell unterstützen. Aus dem Geld wird die Umsetzung finanziert. Sieht so auch die Zukunft des Verlags aus? Ein Gespräch mit dem Verlagsexperten Holger Ehling.
Warum publizieren immer mehr Autoren und Autorinnen ihre Werke via Crowdfunding?
Holger Ehling: Es ist eine Art Notwehr. Denn viele Autoren sind in der Zwickmühle: Auf der einen Seite haben sie gute Ideen und Projekte. Auf der anderen Seite fehlt ihnen das Geld, um die nötige Zeit finanzieren zu können, die sie in diese Projekte investieren müssen. Zudem fehlt es an Geld für Reisen und für die Umsetzung ins Buch.
Crowdfunding ist ein probates Mittel, um sich aus der Patsche zu helfen.
Viele Verlage sind nicht mehr bereit, den Lebensunterhalt sichernde Vorschüsse zu zahlen – vor allem nicht Autoren aus der zweiten und dritten Reihe. In den USA und in Grossbritannien, aber mittlerweile auch im deutschsprachigen Markt ist Crowdfunding ein probates Mittel, um sich aus der Patsche zu helfen.
Das heisst, die Autoren entschliessen sich, ihre Werke selbst zu publizieren – Selfpublishing genannt. Birgt dies nicht Schwierigkeiten, was das Lektorat oder das Design der Bücher betrifft?
Nicht jedes Crowdfunding-Projekt endet in einem selbstpublizierten Projekt. Sehr oft steht am Ende ein Verlagsvertrag. Aber grundsätzlich gehen die allermeisten in Richtung Selfpublishing. In den vergangen fünf, sechs Jahren hat zum einen im deutschsprachigen Markt eine Explosion der im Selbstverlag publizierten Titel stattgefunden und zum anderen eine Professionalisierung.
Die Autoren und Autorinnen wissen mittlerweile ziemlich genau, wo sie Unterstützung brauchen – sei es beim Lektorat, sei es beim Design des Covers, sei es beim Satz des Textes und bei der Herstellung von elektronischen Varianten.
Diese Dienstleistungen kann man heutzutage einkaufen. Viele Verlage haben in den letzten Jahren Mitarbeiter auf die Strasse gesetzt, die heute ihre Dienste feilbieten. Das sind hochqualifizierte Mitarbeiter, derer sich auch die Verlage selbst bedienen. Aber natürlich arbeiten die auf dem freien Markt und sind für jeden verfügbar.
Wie sieht es beim Selfpublishing mit dem Vertrieb aus, dem wichtigsten Teil der Verlagsarbeit?
Artikel zum Thema
Sowohl für die Verlage wie auch für die Selfpublisher ist der Vertrieb das Nadelöhr, durch das alles durchgehen muss. Nicht umsonst sind die Vertriebsleute in den Verlagen in der Regel die bestbezahlten Mitarbeiter. Da wird entschieden, ob ein Buch den Sprung in die Hand des Lesers schafft. Beim Vertrieb klemmt es überall. Sowohl die kleineren Verlage wie die Selfpublisher haben grosse Schwierigkeiten, in den Buchhandel zu kommen.
Diese Vertriebsdienstleistungen kann man sich auch nur zum Teil als Selfpublisher kaufen. Die Auftragsvolumina, die man den Dienstleistern, die es dort auch frei gibt, anbieten kann, sind in der Regel aber zu gering, als dass diese wirklich sinnvollerweise einen Vertrieb übernehmen könnten.
Für Verlage und für Selfpublisher ist der Vertrieb das Nadelöhr, durch das alles durchgehen muss.
Werden im deutschsprachigen Raum schon literarische Projekte über Selfpublishing finanziert?
In Norddeutschland gibt es beispielsweise ein Franchise-System mit mittlerweile fünf Buchhandlungen, die ausschliesslich Selfpublishing-Titel gegen Gebühr anbieten, die die Autoren zahlen müssen. Das ist aber noch ein kleiner Anfang.
Bis es soweit kommt, dass tatsächlich Selfpublisher in der gleichen Weise im Vertrieb bestehen können, wie das ein mittlerer oder grösserer Verlag kann, wird es noch sehr, sehr lange dauern.
Sendung: Kultur kompakt, Radio SRF 2 Kultur, 19.09.2016, 06:50 Uhr.