Alexis Korner war nie ein Superstar, aber er war der Mentor und Pate einer ganzen musikalischen Bewegung: des englischen Blues und Rhythm & Blues. Er selber kam vom Jazz, spielte Gitarre und Klavier mit famosen Bands des englischen Dixieland wie Chris Barber und machte seine erste Platte mit der «Skiffle Group» von Ken Colyer: «Midnight Special». Nicht zufällig ein Song des legendären schwarzen Folksängers Leadbelly. Der damalige Skiffle-König Lonnie Donegan hatte mit einer Leadbelly-Nummer («Rock Island Line») diesen ersten grossen Pop-Trend der britischen Nachkriegs-Jugend ausgelöst. Und das auch in Liverpool, wo die späteren Beatles unter dem Namen «The Quarrymen» als Skiffle-Formation begannen.
Swinging Sixties
Noch direkter inspirierte Alexis Korner die «Rolling Stones». 1961 gründete er mit dem Harmonika-Spieler Cyril Davies die Gruppe «Blues Incorporated», in deren Reihen spielten unter vielen andern Charlie Watts, Brian Jones, Keith Richards und Mick Jagger. Aber auch Jack Bruce und Ginger Baker («Cream»), Rod Stewart, Long John Baldry, John Mayall, Jimmy Page («Led Zeppelin»), Dick Heckstall-Smith – ein halbes «Who’s Who» des britischen Rock, Blues und Jazz der famosen Swinging Sixties.
Ein neuer Sound geht um die Welt
Eine ausserordentliche Geschichte: Ein kosmopolitischer Europäer, geboren in Paris als Sohn eines österreichisch-jüdischen Vaters und einer griechisch-türkischen Mutter, prägt mit seiner Liebe zur afroamerikanischen Musik in all ihren Formen einen neuen Sound, der damals von England die ganze Welt überschwemmte.
Keine Grenzen zwischen Genres
Ehrliche Begeisterung und prinzipielle Offenheit, das waren Korners wichtigste Eigenschaften. In seinem Musikverständnis gab es keine künstlichen Grenzen zwischen Blues, Jazz, Rock und Soul. Das bewies er auch mit seinen späteren Bands «New Church», «C.C.S.», «Snape»: In immer neuen Besetzungen pflegte er ein immer abenteuerlicheres Repertoire, von Gospel-Klassikern über Jazz-Standards bis zu Rolling Stones-Covers. Gleichzeitig begann er eine zweite Karriere, für die ihn seine markante Stimme geradezu prädestinierte. Er moderierte Radiosendungen für die britische BBC, aber auch für Radio DRS in der Schweiz, in denen er für die Anerkennung der «Black Music» als Inspirationsquelle von Pop und Jazz missionierte.
Zusammenarbeit mit Jazz-Grössen
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Korners Bedeutung als Propagandist für diese gute Sache ist nicht zu überschätzen, auch wenn seine eigenen Platten nie eine vergleichbare Breitenwirkung erreicht haben. Nur dreimal kam er mit «C.C.S.» in die britischen Top Twenty. In Erinnerung geblieben ist allenfalls seine eigenwillige Version von Led Zeppelins «Whole Lotta Love». Aber eigentlich gäbe es da manches wieder zu entdecken, nicht zuletzt in der jahrelangen Zusammenarbeit mit Jazz-Grössen wie Kenny Wheeler, Lol Coxhill und John Surman.
Korner selbst hat als Musiker schon viel früher Neuland beschritten: Er war, zumindest in England, einer der ersten Blues-Gitarristen, die es zur Empörung aller Puristen wagten, ihr Instrument elektrisch zu verstärken. Obwohl er natürlich auch als erster zugegeben hätte, dass er damit nur dem Beispiel seiner schwarzen amerikanischen Vorbilder folgte, von T-Bone Walker über Muddy Waters bis B.B. King.