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Musik Auf der Bühne war Prince ein König

Prince war ein Künstler voller Schaffenskraft und Widersprüche. Als Musik-Intellektueller schaffte er es immer wieder die Charts zu stürmen. An einem Ort bewies er, was er wirklich war: einer der grössten Bandleader der Popgeschichte – auf der Bühne.

Düsterblaues Licht, Rauchschwaden. Und da ist er, wie aus dem Nichts gekommen, als Schattenriss. Seine Gitarre präzis auf die Hüfte gestützt, dass sie im Gegenlicht wie ein gigantisches Zeugungsorgan wirkt. Der Star in perfekter Pose, sogar die untere Rundung der Gitarre stützt die Illusion, dass da mächtige Eier hängen müssten.

Prince – Sign o‘ the Times

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Prince auf der Bühne
Legende: Keystone

Mit seiner «Sign o’ the Times Tour» schrieb Prince 1987 Musikgeschichte. Auf dem Höhepunkt seiner kreativen Kraft zeigte er mit einer umwerfenden Begleitband, dass das Konzert das Mass aller Dinge bleibt.

Sternstunde Musik zeigt den Konzertfilm am 24. April 2016 um 23.35 Uhr auf SRF 1. Anschliessend ist der Film sieben Tage online zu sehen.

Der kleine Mann, bekannt für seine Vorliebe für Federboas, lässt die Saiten wimmern und britzeln und er heult: «Times, times … It’s silly, no? When a rocket ship explodes. And everybody still wants to fly». Das war die «Sign o‘ the times»-Tournee 1987. Eine Hammertruppe mit weiblicher Übermacht: Sheila E., Boni Boyer und Cat. Dazwischen der kleine Mann, der gleich am Anfang des Konzerts demonstriert, dass er eigentlich gar keine Band braucht, um sein Publikum ins Delirium zu peitschen.

Sein Geniestreich: massentaugliche Vielfalt

Er war einer der grössten Bandleader der Popgeschichte. Vergleichbar nur mit James Brown oder Frank Zappa. Von ersterem hatte er die Funk-Schärfe gelernt, erbarmungslose Präzision, auch das Geheimnis der listig platzierten Einzelschläge, die unweigerlich Hüftzucken provozierten. Mit letzterem teilte er die grenzenlose Offenheit für vermeintlich gesuchte Arrangements, die mysteriöse Rocksongs zur Kenntlichkeit verzerren konnten.

Vielleicht sein grösster Geniestreich: Mit einem derart prall gefüllten Rucksack von Soul, Jazz, Funk, Pop die Massen zum Tanzen und Träumen zu bringen und gleichzeitig die Grenzen dieser Musik mit leichter Hand neu zu setzen. Ein chartsstürmender Musik-Intellektueller mit einer Schaffenskraft, die für vier gereicht hätte.

Perfekt für Empörungsspezialisten

Man hätte ihn leicht als Zotenreisser und schmierigen Erotomanen verharmlosen können. Die Lust, mit der er weibliche Intimzonen und männliche Unersättlichkeit auf dem Glitzertablett seines Disco-Souls servierte, war perfekt für die bigotten Empörungsspezialisten seiner puritanischen Heimat.

Prince war ein tief religiöser Exhibitionist, der vor wenigen Jahren den Zoten abschwor. Ein schnell beleidigter Ironiker, dessen Weinerlichkeit im Umgang mit der bösen Industrie naiv wirkte. Ein Haufen Widersprüche, die sich immer dann auflösten, wenn man ihn dort sah, wo er unvergleichlich war: auf der Bühne. Da war er nicht der Prinz, sondern ganz klar der König. Der Schatten, den er warf, ist gigantisch. Die Lücke, die er hinterlässt, lässt sich kaum abmessen.

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