«Den Parnass kann man sich als eine schnell rotierende flache Kegelscheibe vorstellen», schrieb der Schriftsteller Herbert Rosendorfer, «an der sich die verewigten Meister der Tonkunst mehr oder weniger krampfhaft festhalten.» Glückskinder wie Bach, Mozart, Beethoven sässen relativ fest auf sicherem Platz in der Mitte. Aber alle unbekannteren fänden auf der Scheibe kaum Halt und würden gnadenlos vom Rand ins Nichts hinausgeschnellt.
Auf der Gehaltsliste des Wiener Hofes
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Eine Zeit lang war es ihm genauso ergangen: Johann Jakob Froberger. Kurz vor seinem 51. Geburtstag ist er gestorben, als hochdekorierter Meister. Dennoch ging er nach seinem Tod für Jahrzehnte und Jahrhunderte fast vollkommen vergessen. Erst im 20. Jahrhundert hat man ihn wieder entdeckt, erst posthum ist es ihm gelungen, einen Platz zu finden auf der Parnassscheibe. Weit aussen zwar, aber immerhin.
Viele Zeugnisse über ihn gibt es nicht. Geboren ist Johann Jakob Froberger 1616 in Stuttgart. Im Alter von 15 Jahren, heisst es, habe ihn ein schwedischer Gesandter wegen seiner schönen Sopranstimme mit nach Wien genommen (die Pubertät setzte vor 400 Jahren noch wesentlich später ein). Jedenfalls taucht Frobergers Name auf der Gehaltsliste des Wiener Hofes auf; das heisst auch, dass er vom evangelischen zum katholischen Glauben übergetreten war. Nach einigen Jahren als Organist am Hof – er muss sich sehr begabt und geschickt angestellt haben – bekommt er die einmalige Chance eines Stipendiums: Mit 200 Gulden in der Tasche macht er sich zum hochberühmten Komponisten Girolamo Frescobaldi nach Rom auf.
Einflüsse von überall aufsaugen und neu zusammenführen
Nach dreijähriger Lehrzeit kehrt er zurück nach Wien, bricht aber in der folgenden Zeit immer wieder zu ausgedehnten Reisen durch Mittel- und Westeuropa auf. «Nüremberg, Würtzburg, Heydelberg, Franckfurth, Bonn, Cöllen, Düsseldorff etc, und dann nach Hollandt, und von dannen durch Brabant über Antwerpen und Brüssel nach Seelandt, Flandern, Engellandt, Frankreich und endtlich biss in Italien fortzusetzen», hält er als Stationen fest. Auf seinen Reisen lernt er bedeutende Kollegen kennen wie Girolamo Frescobaldi, Giacomo Carissimi, Athanasius Kircher, Matthias Weckmann, Constantin Huygens oder Louis Couperin.
Und bald schon eilt ihm der Ruf eines «Wunders» und «grand homme» voraus, dem es mit seinen Kompositionen gelingt, seinen Zuhörern Gewohntes und doch aufregend Neues zu bieten. Mit Mitte 30 ist Froberger eine internationale Berühmtheit und ein wahrer Europäer, der den italienischen Toccatenstil eines Frescobaldi nach Frankreich und den Einfluss der französischen Lautenisten und Clavecinisten nach Deutschland bringt. Aus all den Gebieten, Fürstentümern und Ländern, die er bereist, saugt er mit grosser musikalischer Neugier neue Einflüsse auf. Er führt sie in neuer Synthese zusammen und gibt sie an Kollegen weiter – so dass er bald als bedeutendster Komponist für Tasteninstrumente gilt. Heute wird ihm diese Anerkennung wieder zu Teil, als Wichtigster vor Johann Sebastian Bach.