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Orchestermusiker mit ihren Instrumenten auf der Bühne, geleitet von einem seitwärts sichtbaren Dirigenten.
Legende: Das übliche Bild: Männlicher Dirigent, Frauen fast nur als Streicherinnen – eine Fagottistin wie hier ist die Ausnahme. Keystone

Musik Dünne Luft für Frauen im Orchestergraben

In Frankreich protestiert das feministische Kollektiv «La Barbe» gegen die Dominanz von Männern in Kulturinstitutionen, insbesondere in der Musikszene. Denn: In den klassischen Orchestern und Jazzbands sind Frauen deutlich untervertreten – auch in der Schweiz.

Frauen sind im klassischen Musikbetrieb, wie allgemein auf dem Arbeitsmarkt, untervertreten. Auf diesen Umstand macht in Frankreich seit einiger Zeit das feministische Kollektiv «La Barbe» aufmerksam.

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Rudolf Balmer: «Die Fakten sind krass»
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«La Barbe», der Bart, ist ein Symbol männlicher Macht. Neu ist seine Verwendung für weiblichen Protest nicht, schon öfter wurde er für politische Anliegen eingesetzt. Mit ironischen Auftritten – die Aktivistinnen treten meist mit angeklebten Bärten auf – stellt die Gruppe die männliche Macht und deren Privilegien bloss und sorgt damit für Schmunzeln, aber auch für Aufruhr.

Dirigentinnen und Intendantinnen, gibt es das?

Der französische Ausspruch «la barbe!» bedeutet zu deutsch aber genauso «es reicht!». Die Kritik des Kollektivs: In den Orchestern ist der Anteil an Frauen immer noch zu gering, und es gibt praktisch nur männliche Dirigenten und Intendanten.

Laut dem SRF-Korrespondenten Rudolf Balmer in Paris sprechen die Zahlen für sich: «In Frankreich sind 96 Prozent der Leiter der Opernhäuser Männer». Ähnlich sehe es mit den Dirigenten und den Führungskräften im Theater aus.

Die Schweizer Dirigentin Sylvia Caduff bei einer Probe mit dem Royal Philharmonic Orchestra in London.
Legende: Die Schweizer Dirigentin Sylvia Caduff bei einer Probe mit dem Royal Philharmonic Orchestra in London, 1967. Keystone

Ausnahmen gibt es, auch in der Schweiz. Intendantinnen finden sich hierzulande zurzeit zwar keine, aber ab der Saison 2014 sitzt beim Zürcher Tonhalle-Orchester eine Frau auf dem Intendantinnen-Stuhl. Und bereits in den 1960er Jahren war die Dirigentin Sylvia Caduff international erfolgreich.

In der Schweiz immer mehr Frauen

Eine Etage weiter unten, bei den Musikerinnen, ist die Luft für Frauen etwas weniger dünn: Bei den drei grossen subventionierten Sinfonieorchestern «Tonhalle-Orchester Zürich», «Berner Symphonieorchester» und «Orchestre de la Suisse Romande» liegt der Anteil der Frauen um die 35 Prozent – wie in den meisten Branchen ein klares Ungleichgewicht; immerhin: etwas mehr als im Nationalrat mit einem Frauenanteil von derzeit knapp 30 Prozent.

«La Barbe»

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«La Barbe» ist ein feministisches Kollektiv, das 2008 in Frankreich gegründet wurde. Als Markenzeichen dienen künstliche Bärte, mit denen die Aktivistinnen auf die männliche Dominanz in den Bereichen Politik, Kultur und Medien aufmerksam machen. In Paris protestierten sie kürzlich gegen das fehlende Gleichgewicht der Geschlechter im Konzertbetrieb.

Tatsächlich lässt sich eine gewisse Durchmischung auf den Konzertpodien feststellen. Seit den 1970er Jahren, als in der Schweiz die ersten Feministinnen auf die Strasse gingen, hat sich der Anteil der Frauen in Profi-Orchestern kontinuierlich gesteigert.

Die alte Quotenfrage

Was ist zu tun gegen dieses immer noch klare Ungleichgewicht? Vermögen Proteste einen Wandel auszulösen oder geht es nur mit einem entsprechenden Gesetz?

Im Jahr 1995 hat eine grosse Harvard-Studie den Frauenanteil in professionellen Orchestern von vier Ländern – der USA, Grossbritannien, dem ehemaligen Ost- und Westdeutschland – verglichen. Es zeigt sich, dass mit 50 Prozent der Anteil von Musikerinnen in US-amerikanischen Orchestern weitaus am höchsten ist. Grund könnten laut SRF-Musikredaktorin Lislot Frei die strengeren Gleichstellungsgesetze sein.

Als Gegenbeispiel nennt Lislot Frei die DDR, wo Frauen generell stark gefördert wurden, offenbar mit Ausnahme der Sinfonieorchester: Bis zur Wende waren sie rein männlich besetzt.

Je tiefer und «blechiger» ein Instrument, desto männlicher

Was ebenfalls auffällt, ist die ungleiche Verteilung der Instrumente. Bei den Geigen bilden die Frauen oft die Mehrheit: Im Tonhalle-Orchester zum Beispiel spielen in der zweiten Geige 14 Frauen und nur 2 Männer.

Eine Frau spielt Harfe in einem klassischen Orchester.
Legende: Könnte das auch ein Mann sein? Keine einfache Vorstellung, denn die Harfe ist praktisch in Frauenhand. Keystone

Generell sind auch die Flöte und die Harfe – traditionell typische Fraueninstrumente – fest in Frauenhand. Umgekehrt sind die Frauen vor allem bei Blechblasinstrumenten stark untervertreten bis kaum vorhanden.

Unsittliches Spreizen der Beine

Die Gründe dafür sind laut Lislot Frei gesellschaftliche: «Die traditionellen Zuordnungen der Instrumente zu den Geschlechtern stammen aus dem bürgerlichen 19. Jahrhundert, wo Frauen noch keine Berufsmusikerinnen waren und Kollektive wie Orchestervereine und Blasmusiken ausschliesslich von Männern gegründet wurden.»

Zudem galten strenge Sittsamkeitsregeln: Das Cello war für Frauen verpönt, da für dessen Spiel die Beine unsittlich gespreizt wurden; ebenso galt der Anblick einer Posaune spielenden Frau als unweiblich, wie die Musikwissenschaftlerin Freia Hoffmann in ihrem Buch «Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur» schreibt.

Männderdomäne klassischer Jazz

Die Männerdominanz ist genauso Realität im Bereich Jazz. Auch hier gab es immer wieder zwei klare Antworten: Frauen als Sängerinnen? «Prima!»; Frauen als Instrumental-Solistinnen? «Nein».

Hier könnten auch strukturelle Gründe im Spiel sein: Im Gegensatz zu den klassischen Orchestern gibt es in der Jazzszene weder Festanstellungen noch Tarifverträge. Es ist also jeder seine eigene Firma, pickelharter Wettbewerb ist tägliche Realität.

Und gemäss SRF-Jazzredaktor Beat Blaser gilt Jazz generell als «Wettbewerbsmusik». Er wagt die These, dass Frauen eventuell nicht so sehr wie die Männer an diesem Muskelspiel interessiert sind.

Durchbruch im Free Jazz

Als Ausnahme nennt Beat Blaser den Free Jazz und die improvisierte Szene, wo es mehr um ein Miteinander als um ein Gegeneinander gehe. Hier hat in der Schweiz erstmals eine Frau den Durchbruch als Jazzmusikerin geschafft, die Pianistin und Schlagzeugerin Irène Schweizer.

Besetzung in Schweizer Orchestern (Stichprobe, Stand 2013)

Tonhalle-Orchester ZürichBerner SymphonieorchesterOrchestre de la Suisse RomandeKammerorchester Basel*
Frauenanteil gesamt35%35%35%46%
Frauenanteil Streichinstrumente
1. Violine38%53%55%83% (1. und 2.Violine)
2. Violine87%50%62%
Viola38%25%53%60%
Violoncello33%62%27%0%
Kontrabass12%12%22%0%
Total20%42%48%66%
Frauenanteil  Holzblasinstrumente
Piccolo / Flöte75%75%60%50%
Oboe0%50%0%0%
Klarinette0%0%0%0%
Fagott0%66%40%0%
Kontrafagott0%k.Ak.Ak.A
Total27%44%25%14%
Frauenanteil Blechblasinstrumente
Horn0%0%14%0%
Trompete0%25%0%0%
Posaune0%0%0%0%
Tuba0%0%0%k.A
Total0%6%5%0%
Harfen100%100%100%k.A
* Kein Dienstorchester, wechselnde Besetzung

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