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Mann sitzt mit Mikrofon vor einem Afrikaner, der ein spezielles Instrument spielt.
Legende: Aufnahmen vor Ort: Hugh Tracey machte die afrikanische Musik zu seinem Lebenswerk. akg-images

Musik Von einem der auszog, um afrikanische Musik zu bewahren

Trommeln, Flöten, Zupfinstrumente. Und immer wieder Singsang, den man als westlicher Zuhörer nicht versteht: Hugh Tracey hat in 50 Jahren hunderte von Liedern und Rhythmen in Afrika zusammengetragen und auf vielen LPs veröffentlicht. Eine Sammlung von grosser Bedeutung – doch wer soll die hören?

Seit Anfang der 1930er-Jahre fuhr der Engländer Hugh Tracey mit einem umgebauten Kastenwagen durch das südliche und östliche Afrika, von Südafrika hoch bis in den Südsudan. Tausende von Kilometern legte er auf Strassen, Sandpisten und Steppenboden zurück, um den musikalischen Schatz des Kontinents aufzuzeichnen. Unterstützt wurde er immer mal wieder von Stiftungen, die seine kulturelle Arbeit wertschätzten.

Afrikanische Musik als Lebenswerk

Hugh Tracey gründete in den 1950er-Jahren die «International Library of African Music» (ILAM), die noch heute existiert und an der südafrikanischen Universität in Grahamstown angegliedert ist. Dort findet man alle Acetat-Platten und Tonbänder, die er auf seinen Reisen bespielt hat. Dort sind auch die Instrumente gelagert, die Hugh Tracey über die Jahre gesammelt hat. Dort kann man auch seine Notizen einsehen, die er auf seinen Exkursionen über Musiker, Lieder, Inhalte und Instrumente gemacht hat.

Der Engländer, der schon in den 1920er-Jahren nach Süd-Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe, auswanderte, machte die afrikanische Musik zu seinem Lebenswerk. Ohne Zweifel hat er einen wahren und einmaligen Musikschatz bewahrt. Musik, die heute wohl längst vergessen wäre, wenn er sie nicht unter grossen Mühen und Anstrengungen aufgezeichnet hätte, wie etwa die Aufnahmen vom Königshof in Ruanda.

Aufnahmen auf 210 Platten

Doch die Frage muss erlaubt sein: War es das wert? Hugh Tracey veröffentlichte in den 1950er-Jahren eine eher wissenschaftliche, 210 LPs umfassende Reihe mit seinen Aufnahmen. Damit richtete er sich an Ethnologen, an Bibliotheken und Universitäten auf der ganzen Welt. Kurz darauf brachte Tracey eine weitere Plattenserie heraus, 20 LPs unter dem Titel «Music of Africa». Die wissenschaftliche Reihe gab es in einer Kleinstauflage, die eher populär gedachte Serie verkaufte sich im einstelligen Tausender Bereich. Hugh Tracey wurde dadurch etwa bei Jazz-Trommlern und Beatniks bekannt. Doch das war in den 1950er-Jahren.

Der Holländer Michael Baird, geboren in Sambia, hat nun vor einiger Zeit auf seinem Label SWP Records eine neue Reihe mit Hugh Traceys Aufnahmen veröffentlicht. Er hat die alten Bänder von ILAM ausgewertet und digitalisiert. 22 Cds sind das Ergebnis. Michael Baird ist ein Liebhaber der afrikanischen Musik, er wollte diesen Musikschatz einer neuen Hörerschaft eröffnen, erklärt er.

Das Bewahren von Musik – eine westliche Erfindung?

Doch auch er muss zugeben, dass sich jede seiner CDs gerade mal 2000 Mal verkauft hat. Hinzu kommt, dass es in Afrika so gut wie keine Archive, Bibliotheken und Sammlungen gibt, die Kultur bewahren. Die jungen Musiker greifen lieber zur Gitarre, spielen Hip-Hop, Reggae oder christliche Gospel-Musik. Der alte Kram interessiert sie nicht. Die CDs von SWP Records mit Aufnahmen ihrer Vorväter und -mütter kann man in Afrika nicht finden, schon gar nicht kaufen. Ist das Bewahren von Musik nur eine westliche Erfindung? Ist Musik vielleicht einfach ein vergängliches Kulturgut, das nach einer bestimmten Zeit vergessen und durch neues ersetzt werden kann?

Zu hoffen ist dies nicht. Musik hat eine besondere Bedeutung im Leben der Menschen. Egal ob in Afrika, Europa oder sonst wo. Musik ist wohl die einzige globale Sprache, die jeder verstehen kann, der mit offenen Ohren hinhört. Von daher sind Sammlungen, wie die von Hugh Tracey, von grösster Bedeutung, denn sie dokumentieren einen Teil Afrikas, der die Menschen in ihrem Alltag zeigt.

Es geht nicht um Krisen, Kriege, Korruption, es geht um mehr in diesen Liedern: um die Grundlagen der verschiedenen Kulturen. Und um die Gegenwart und die Zukunft zu meistern, muss man die Vergangenheit verstehen – und bewahren. Musik ist dabei ein kleiner, aber durchaus wichtiger Teil.

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