Die ersten 15 Jahre ihres Lebens verbrachte Yasmine Hamdan mit Geschwistern und Eltern zwischen Beirut, Kuwait, Abu Dhabi und Griechenland. Als der Bürgerkrieg im Libanon zu Ende war, kehrten sie nach Beirut zurück.
Sie war noch in der Schule, als sie mit Zaid Hamdan die Band «Soapkills» im zerstörten Beirut gründete. Der Name der Band war eine sarkastische Anspielung darauf, wie die Libanesen die blutige Vergangenheit «abwaschen» wollten. Es gab ständig Stromausfälle, nur eine Bar im Zentrum. Die beiden Teenager tauchten in die Untergrundszene Beiruts ein, auf der Suche nach Orten für spontane Konzerte.
Zurück zu den eigenen Wurzeln
So fing Yasmine Hamdan an, auf Englisch und dann auf Arabisch zu singen und selbst Lieder zu schreiben. Sie beschäftigte sich zunehmend mit der arabischen Musik. Besonders die traditionellen arabischen Songs hatten es ihr angetan. Ganz intuitiv lernte sie diese Lieder durchs Hören – ganz nach Tradition: Denn die Lieder sind weder in Sammlungen noch Bibliotheken festgehalten.
Yasmine Hamdan hielt Ausschau nach traditionellen Klängen, durchstreifte Läden in Beirut, kaufte Kassetten in Saudi-Arabien und Damaskus. Das war auch eine Suche nach ihren Wurzeln.
«Ich wollte herausfinden, woher ich komme, wer ich bin», sagt sie. «Ich wollte mehr über meine Kultur erfahren und meinen Platz in diesem Raum finden. Ich bin Kosmopolitin und lege mich weder auf ein Land, noch eine Zeit fest.»
Pioniere im Untergrund Beiruts
Zaid Hamdan, ihr «Soapkills»-Partner, hatte sich eine Groovebox – eine Mischung aus Sampler und Synthesizer – zugelegt. «Wir hörten damals Portishead und PJ Harvey», beschreibt die libanesische Künstlerin. «Unser Sound war schräg. Wir kreierten mit Trip-Hop, elektronischen Rhythmen und traditionellen arabischen Klängen ein neues Genre.»
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Die Band «Soapkills» durchbrach die Normen der arabischen Musik. «Ich singe nicht korrekt, damit meine ich dem Standard entsprechend», erklärt sie. «Ich habe eine persönliche Beziehung zur Musik im Laufe der Jahre entwickelt. Die Musik ist für mich Raum des Rückzugs, hier finde ich Trost und Hoffnung. Das ist für mich eine Parallelwelt.»
«Soapkills» waren Pioniere. Sie ebneten den Weg für eine neue alternative Musikszene im «Underground» der arabischen Welt. Die Aufnahme ihres ersten Albums machten sie ohne Pause. «Wir konnten den Computer noch nicht richtig bedienen», so die libanesische Sängerin. «Also lief die Aufnahme weiter, als ich zur Toilette ging. In dieser Aufzeichnung ist im Hintergrund die Wasserspülung zu hören.»
Musikalische Tradition in Frage stellen
Auf dem aktuellen Solo-Album «Ya Nass» lässt sich Yasmine Hamdan von Melodien und Texten bedeutender arabischer Sängerinnen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts inspirieren, etwa von Aisha Al Marta. «Ya Nass» ist ein Aufruf: «Hey Leute!». Im Vordergrund steht der Gesang von Yasmine Hamdan. Die Lieder sind eher traditionell und akustisch, hier und da fliessen elektronische Sounds ein.
Die selbstbewusste Musikerin bewegt sich problemlos in der Kultur des gesamten arabischen Raumes. «Wenn ich Lieder schreibe», sagt sie, «profitiere ich davon, verschiedene arabische Dialekte zu kennen. Jeder Dialekt klingt anders und hat einen unterschiedlichen Rhythmus. So wähle ich Worte nach den Melodien.»
Rolle in neuen Jarmusch-Film
Yasmine Hamdan hat das Stück «Hal», das auch auf ihrem aktuellen Album zu finden ist, für den Film «Only Lovers Left Alive» von Jim Jarmusch geschrieben. Demnächst ist sie im Kino in einer kleinen Bar in Tangier zu sehen, wo sie den kompletten Song singt und sich selbst spielt.
«Ich bin Jim Jarmusch vor drei Jahren auf einem Musikfestival in Marrakesch begegnet, als ich dort einen Auftritt hatte.» Nach dem Konzert kam er zu ihr und fragte sie, ob sie in seinem neuen Film eine Rolle spielen wolle.
Den arabischen Frühling differenziert besingen
Auf ihrem Album «Ya Nass» erhebt Yasmine ihre Stimme und bringt subtile und ironische Sozialkritik ein. Sie besingt erotische Themen in Stücken wie «Deny» oder «Samar». Yasmine Hamdan bezieht Stellung als Künstlerin. «Meiner Meinung nach ist das die Aufgabe aller arabischen Künstlerinnen», erklärt sie. «Ich schreibe Lieder, die mit mir als freie, emanzipierte Frau zu tun haben.» Im Augenblick stecke die arabische Welt in einer schwierigen Phase, fährt sie fort: «Ich kann nichts mit dem Begriff ‹Arabischer Frühling› anfangen. Das ist meiner Meinung nach eine Kreation der Medien.»
Da müsse man differenzieren. In jedem arabischen Land sei die Ausgangssituation eine andere. Jedes Land habe diesen so genannten Frühling anders erlebt. «Doch die jungen Leute mussten ihren Unmut zeigen und auf die Strasse gehen», argumentiert die engagierte Kosmopolitin. Zu hoffen bleibe allerdings, dass bald Ruhe einkehrt und Demokratie hergestellt wird. Ziel sei eine solide Basis für Grund- und Menschenrechte und die Rechte der Frauen. Der Kampf müsse weitergehen.