Das Wichtigste in Kürze:
- Mit Musik können Menschen besser kommunizieren als mit Sprache, sagt der südkoreanische Geiger Hyung Joon Won.
- Er will ein gemeinsames Konzert mit süd- und nordkoreanischen Musikern realisieren. Zwei Versuche sind bisher gescheitert.
Sich aufeinander einstimmen
In Fragen der Verständigung sollte man sich grosse Orchester als Vorbild nehmen: Vor jedem Konzert werden im Orchester alle Musizierenden still und warten darauf, dass von der Oboe der Kammerton a‘ erklingt. Dann stimmen zuerst die Streicher ihre Instrumente nach diesem Ton, anschliessend die Bläser und die anderen Instrumentalisten.
Einige Dutzend Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund und ganz unterschiedlichen Instrumenten hören aufeinander. Sie finden so einen gemeinsamen Nenner, auf dessen Grundlage sie schliesslich gemeinsam zu sprechen, beziehungsweise zu musizieren beginnen.
Vorbild: West-Eastern Divan Orchestra
Genauso sollten auch Süd- und Nordkoreaner miteinander umgehen – vorerst modellhaft in einem grossen, pankoreanischen Sinfonieorchester. Das ist die Vision des südkoreanischen Geigers Hyung Joon Won. Inspiriert wurde er dazu unter anderem von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra mit dessen völkerverbindendem Profil.
Um seinem ambitionierten Ziel Schritt für Schritt näherzukommen, gründete Won im Jahr 2009 die Lindenbaum Music Company und rief das alljährliche internationale Lindenbaum-Festival ins Leben.
Doch auf der geteilten koreanischen Halbinsel ist es noch viel komplizierter als im Nahen Osten, Beziehungen zwischen den Menschen zu knüpfen. Zwar gab es schon Auftritte von westlichen Orchestern im abgeschotteten Nordkorea, aber ein Zusammenkommen von süd- und nordkoreanischen Musizierenden auf einer Bühne, das gab es bisher noch nicht. Ein Gesetz verbietet es: Jegliches Treffen zwischen Süd- und Nordkoreanern muss von beiden Regierungen bewilligt werden.
Erste Anläufe gescheitert
Hyung Joon Won holte prominente Musiker mit ins Boot, um seine visionäre Idee zu verwirklichen. Unter anderem den Schweizer Dirigenten Charles Dutoit, der sich einige Zeit für das Projekt engagierte. Won erhielt auch Unterstützung aus diplomatischen Kreisen, etwa vom Schweizer Botschafter in Seoul wie auch vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten.
Ein erstes Konzert mit süd- und nordkoreanischen Musizierenden wurde im Jahr 2011 bewilligt. Es sollte in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang stattfinden, wurde aber wegen politischer Spannungen kurzfristig abgesagt.
Ein zweiter konkreter Anlauf scheiterte ebenfalls: Zum 70. Jahrestag der Befreiung Koreas am 15. August 2015 plante Won ein Konzert am symbolträchtigen Grenzübergang Panmunjeom. Er bekam die Bewilligung beider Regierungen und fuhr mit dem Lindenbaum Festival Orchestra in einem Bus Richtung Nordkorea.
In der Sicherheitszone Panmunjeom warteten sie auf den nordkoreanischen Chor, mit welchem sie Ludwig van Beethovens «Ode an die Freude» sowie das beliebte koreanische Volkslied «Arirang» aufführen wollten.
Doch auch dieses Konzert konnte nicht stattfinden. Es wurde im letzten Moment wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, denn einige Tage zuvor war in dieser demilitarisierten Zone eine Landmine explodiert.
Treffen auf neutralem Boden?
Der 41-jährige Hyung Joon Won ist sich bewusst, dass es gerade in der heutigen, besonders angespannten politischen Lage nicht wahrscheinlicher wird, dass er sein Projekt bald realisieren kann. Er bemüht sich zwar weiterhin um Bewilligungen für ein gemeinsames Konzert in Nordkorea oder in der Nähe der Grenze, sucht aber auch nach Alternativen.
Vielleicht wäre es einfacher, sagt er, auf neutralem Boden zusammenzukommen, beispielsweise in der Schweiz. Ausserdem führt er nach wie vor alljährlich sein Lindenbaum-Festival durch, aus welchem sich ab und zu Auftrittsmöglichkeiten in der demilitarisierten Zone ergeben. Allerdings ohne nordkoreanische Musizierende und weiter entfernt von der Grenze.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 06.04.2017, 08:20 Uhr