1. Hugo Pratt: «Im Zeichen des Steinbocks»
Endlich sind die Abenteuer um den anarchistischen Seemann Corto Maltese wieder greifbar – und es lohnt sich, einzutauchen in die Welt des italienischen Comic-Fabulierers Hugo Pratt. «Im Zeichen des Steinbocks» spielt sich 1916 in Brasilien ab, es ist eine furios fiebrige Geschichte um die Suche nach einer verschollenen Halbschwester, um magische Candomblé-Zeremonien, furchterregende Halluzinationen, um ewige Freundschaft und unerfüllte Liebe, um Spionage und Schmuggel, um Philosophie, Anarchie und Freiheit – kurz: ein grosses Abenteuer, in welchem Fiktion, historische Anekdoten, Mythologie und Imagination sich stimmig vermählen.
Hugo Pratt: «Im Zeichen des Steinbocks». Schreiber & Leser, 2015.
2. Flix: «Schöne Töchter»
Von der keimenden Hoffnung bis zum gleichgültigen Ausfransen: In «Schöne Töchter» schildert Flix Liebe und Beziehungen in all ihren Stadien, Spielarten und Schattierungen. Er erzählt von Sehnsüchten und Träumen, von Peinlichkeiten und Enttäuschungen, von Sex und Einsamkeit. Das ist melancholisch und lustig zugleich. Mehr noch: Flix feiert auch den Comic in all seinen Spielarten und Schattierung, indem er jede Seite überraschend anders und einmalig gestaltet.
Flix: «Schöne Töchter». Carlsen Verlag, 2015.
3. Riad Sattouf: «Der Araber von morgen»
Riad Sattouf, der Sohn eines Syrers und einer Französin, verbrachte seine Kindheit in Libyen und Syrien. In «Der Araber von morgen» erinnert er mit beissendem Humor an karge Wohnungen, Prügeleien mit Gleichaltrigen, die ihn seiner hellen Haut wegen «Jude» schimpften, und an kulturelle Missverständnisse. Und er entlarvt die Diskrepanzen zwischen Politik, Religion und Alltag in der arabischen Welt. «Der Araber von morgen» ist hochkomisch und gewährt einen Einblick in autoritäre Regimes um 1980 – und das trägt zum besseren Verständnis der aktuellen Situation bei.
Riad Sattouf: «Der Araber von morgen. Eine Kindheit im Nahen Osten (1978-1984)». Knaus Verlag, 2015.
4. Luz: «Katharsis»
Der Karikaturist Luz überlebte das «Charlie-Hebdo»-Massaker nur, weil er sich verspätet hatte. In «Katharsis», einer Sammlung von kurzen Comics und Zeichnungen, verarbeitet er diese traumatische Erfahrung: Mit Verzweiflung, Bosheit und sehr viel sehr schwarzem Humor, denn auch bei der Bewältigung von Trauer und Panik bleibt Luz ein Satiriker. «Katharsis» ist ein verstörendes Buch, das unter die Haut geht.
Luz: «Katharsis». S. Fischer Verlag, 2015.
5. Mariko und Jillian Tamaki: «Ein Sommer am See»
Geschichten über Mädchenfreundschaften, die am Erwachsenwerden zerbrechen, gibt es viele. Und doch lohnt es sich, «Ein Sommer am See» der kanadischen Cousinen Mariko und Jillian Tamaki zu lesen: Wie sie das Auseinanderdriften von Rose und Windy während der Sommerferien schildern, ohne dass die Mädchen wirklich verstehen, was ihnen widerfährt, ist erzählerisch, aber auch zeichnerisch von betörender Sensibilität und Authentizität.
Mariko und Jillian Tamaki: «Ein Sommer am See». Reprodukt Verlag, 2015.
Inhalt
Das war 2015 Die fünf besten Comics 2015
Das Comic-Jahr 2015 war vielseitig. Ein schlagfertiger Seemann, unerschütterliche Frauen, eine Kindheit in Libyen, das Trauma eines vom Terror versehrten Zeichners und eine Mädchenfreundschaft in den Sommerferien – das sind die besten Comics des Jahres.