Was geht in einem Kind vor, wenn es eines Tages seine Heimat verlassen und in einem anderen Land, mit einer anderen Kultur und einer fremden Sprache neu anfangen muss? Ein Schock? Die totale Entwurzlung? Meral Kureyshi musste in den frühen 1990er-Jahren im Alter von neun Jahren zusammen mit ihrer Familie aus dem Kosovo in die Schweiz emigrieren. Entwurzelt hat sie sich trotzdem nicht gefühlt.
Auswandern
Nicht der Ort hat für sie Heimat bedeutet, sondern ihre Familie. Der Schock trifft sie erst Jahre später als der Vater stirbt. Sein Tod ist der Ausgangspunkt dieser Erzählung und bestimmt ihren Grundton: Verstört sucht die Erzählerin ihr Leben neu zu erfinden, in den realen und den erdichteten Erinnerungen, in der neuen und in der alten Heimat.
Meral Kureyshis Familie stammt aus Prizren, der zweitgrössten Stadt des Kosovo. Seit der osmanischen Eroberung, Ende des 14. Jahrhunderts, lebten hier Türken, Serben und Albaner als Nachbarn zusammen. Merals Familie gehörte zur türkischen Minderheit. Türkische und arabische Märchen, Gedichte und Gebete; das war der Kulturkreis, in dem Meral Kureyshi aufwuchs. – Bis zum Kosovokrieg.
Einwandern
Hatte Meral Kureyshi ihre Tagebücher und Geschichten bislang auf Türkisch geschrieben, lernt sie nun, auf Deutsch zu schreiben, nimmt die Schweizer Kultur auf in ihre Geschichten. Auf den ersten Blick erzählt das Kind von seinem Alltag. Auf den zweiten Blick ist dies aber ein Schweizer Alltag, den sich die Flüchtlingsfamilie gar nicht leisten kann. Und so tauchen in den Tagebüchern der 11-Jährigen bereits Vorläufer jener «Elefanten im Garten» auf. Dinge also, die nicht sein können, die ihrem Debüt heute den Titel geben.
Tagebücher, alte Schulhefte, Fotos und Familiengeschichten dienen Meral Kureyshi als Erinnerungssteinbruch. Die Erzählerin ihres Buches irrt zwischen den Brocken umher und versucht sich ihr Leben neu zusammenzusetzen: hier ein Brocken aus Prizren, dort einer aus der Schweiz, mal etwas Realistisches, mal etwas Phantatisches.
Neben den Elefanten im Garten des Grossvaters in Prizren steht der alltägliche Irrsinn ihres 13 Jahre dauernden Asylverfahrens in der Schweiz.
Erinnern durch die Milchglasscheibe
Ein solch unscharfes Nebeneinander verschiedener Zeiten und Realitäten eröffnet der Autorin ein reizvolles Oszillieren zwischen Möglichkeitswelt und Wirklichkeitswelt. Für diesen ästhetischen Mehrwert zahlt sie aber ein hohen Preis: Ihre Erzählerin bleibt ebenfalls unscharf. Erzählt jetzt gerade das kleine Mädchen, der Teenager oder immer nur die junge Frau? Sprachlich sind diese kaum voneinander unterscheidbar.
Wenn es aber immer die junge Frau ist, die verschieden weit in ihre Erinnerung zurückreist? Dann erfährt der Leser nichts darüber, was sie empfindet angesichts der Erinnerungen und Geschichten des Kindes und Teenagers, der sie einmal war. So durchläuft diese Erzählerin auch keine Entwicklung, sondern bleibt eher eine distanzierte Beobachterin, die ihre eigenen Erinnerungen wie durch eine Milchglasscheibe betrachtet.