- Bei der «Open Label Placebo»-Behandlung sind sich die Patienten bewusst, dass sie Medikamente ohne Wirkstoffe einnehmen. Placebos wirken selbst dann.
- Joe Kossowskys Studie ist die erste, die Effekte von «offenem Placebo» bei Kindern und Jugendlichen erforscht.
- Bei dieser Art von Placebo ist vermutlich eine gute Beziehung von Arzt und Patient entscheidend.
Was ein Placebo ist, wissen die meisten: eine Pille aus Maisstärke, ein Zuckerwasser-Sirup oder eine Spritze gefüllt mit Salzwasserlösung – also ohne Arzneistoffe. Auch bekannt ist, dass sich die Symptome vieler Patienten nach Placebo-Behandlungen trotzdem bessern.
Ganz bewusst Zuckerpillen schlucken
Bis anhin setzten Ärzte Placebos verdeckt ein. Heisst: Der Patient weiss nicht, dass er ein Scheinmedikament einnimmt. Wissenschaftler gehen jetzt einen Schritt weiter: Ein US-Forscherteam experimentiert mit «Open Label Placebo». Dabei legen die Wissenschaftler den Patienten gegenüber offen, dass sie ihnen bloss Zuckerpillen verschreiben. Erstaunlich: Auch dieses «offene Placebo» funktioniert.
Schweizer forscht an «ehrlichem Placebo»
Getestet wurde das «offene Placebo» bereits an Migränepatienten, Menschen mit chronischen Rückenbeschwerden und Depressionspatienten. Teil der Placebo-Forschungsgruppe der Harvard Medical School ist der Schweiz-Amerikaner Joe Kossowsky. Er hat an der Universität Basel doktoriert und hier als Psychotherapeut gearbeitet.
Forschung noch in den Kinderschuhen
Kossowsky leitet eine Untersuchung, die erstmals die Wirkung von «Open Label Placebo» bei Kindern und Teenagern testet. Seine Studie soll klären, ob das «offene Placebo» auch bei ihnen funktioniert.
Zurück zur Schule dank Placebo-Sirup
Kossowsky untersuchte dafür 20 Kinder und Jugendliche. Sie litten am sogenannten Reizdarmsyndrom – so akut, dass sie teilweise die Schule nicht mehr besuchen konnten.
Diese Versuchspersonen spritzten sich während drei Wochen zwei Mal täglich einen Zucker-Sirup unter die Zunge – im Wissen, dass diese Substanz keinerlei medizinische Wirkstoffe enthielt.
Die Zwischenbilanz von Kossowskys Untersuchung ist erfreulich: Einige Kinder fühlen sich besser und können wieder zur Schule. Das zeigt: Die Placebo-Forschung hat Potenzial. So unterstützt auch der Schweizerische Nationalfonds Kossowskys Pilotstudie. Die Untersuchung läuft voraussichtlich noch bis Ende 2017. Danach ist ein Placebo-Forschungsprojekt der Harvard Medical School mit der Universität Basel geplant.
Ärzte im Fokus
Warum «Open Label Placebo» funktioniert, kann Neurowissenschaftler Kossowsky bislang nur vermuten. Dem behandelnden Arzt komme wohl bei «offenem Placebo» eine wichtige Rolle zu. Bereits in den 1950er-Jahren zeigten Studien, dass Schmerzmittel eines enthusiastischen Arztes besser wirkten als die eines skeptischen. Wesentlich ist also, wie einfühlsam, motiviert und geduldig ein Arzt uns behandelt.
Was zählt, ist, dass Arzt und Patient gut zusammenpassen.
Dass man offen über Placebos spricht, wirkt sich positiv auf die Beziehung zwischen Arzt und Patient aus.
«Placebo soll Medikamente nicht ersetzen»
Trotz verblüffenden Ergebnissen – Placebo-Sirups oder Zuckerpillen werden laut Kossowsky konventionelle Medikamente nicht verdrängen. Er hofft, dass Placebos zukünftig eingesetzt werden, um die Wirkung von Medikamenten zu verstärken.