- Ray Bradley wurde mit seinem «Hockeyschläger-Diagramm» 1999 weltbekannt. Die Grafik zeigt, dass die globale Durchschnittstemperatur ab dem 20. Jahrhundert markant angestiegen ist.
- Nach der Veröffentlichung wurde er juristisch angegriffen – von mächtigen Politikern, denen die warnende Botschaft nicht passte.
- Der neu ernannte Chef der US-Umweltbehörde, Scott Pruitt, ist Teil desselben Netzwerks, die Bradley damals angriffen.
- Über 2000 Forscher haben einen offenen Brief an Trump geschrieben, in dem sie verlangen, die Wissenschaft müsse ernst genommen werden.
Ein Wort genügt Ray Bradley, um zu beschreiben, was er fühlte, als Donald Trumps Triumph zur Gewissheit wurde: «Panik.» Nun ist Bradley ein nüchterner Wissenschaftler, der nicht zu überzogenen Reaktionen neigt. Aber wenn momentan jemand aus der Forschung Grund zur Panik hat, dann er.
Der Grund liegt 15 Jahre zurück: 2001 publizierte der Weltklimarat Bradleys dritten Bericht. Aufsehen erregte dabei eine Grafik, die die globale Durchschnittstemperatur der letzten 1000 Jahre nachzeichnete. Sie wurde «Hockeystick» getauft, weil dieser Verlauf aussieht wie ein liegender Hockeyschläger: lange flach und dann springt die Temperatur in den letzten Jahrzehnten markant nach oben.
Im Visier der mächtigen Politiker
Ray Bradley hatte die Daten für die eindrückliche Grafik mit zwei Mitarbeitern zusammengetragen. Darum geriet er ins Visier mächtiger Politiker, denen ihre warnende Botschaft nicht passte:
«Sie dachten, wenn sie unsere Glaubwürdigkeit untergraben könnten – und damit jene des ganzen Klimaberichts – dann würden die Amerikaner Massnahmen gegen den Klimawandel ablehnen», sagt Bradley.
Vorwurf: Anti-Amerikanismus
Drei republikanische Kongress-Abgeordnete griffen ihn und sein Team mit juristischen Mitteln an. Um ein angebliches Fehlverhalten zu untersuchen, forderten sie eine Unmenge Dokumente – E-Mails, finanzielle Unterlagen, Forschungsdaten.
Mehrere Journalisten warfen Bradley daraufhin vor, gegen die freie Marktwirtschaft zu sein, erzählt er: «Von da ist es nicht weit zum Vorwurf des Anti-Amerikanismus. So betitelte der US-Kongress in den 1950er-Jahren jene, die als Kommunisten angesehen wurden. In diese Richtung lief es – es war furchteinflössend, sich als Einzelner der Macht des Kongresses ausgesetzt zu sehen.»
Drohender Ruin wegen Anwaltskosten
Bradley spricht die Zeit im Kalten Krieg an, als der Senator Joseph McCarthy vermeintliche Kommunisten jagte. Auch in seinem Fall, 50 Jahre später, drohte Ungemach, wenn man ins Visier der Abgeordneten Lamar Smith, Jim Inhofe und Dana Rohrabacher geriet.
«Diese Leute wollen, dass du nicht mehr forschen kannst», sagt Bradley. Die Kosten für die nötigen Anwälte können für einen Forscher den Ruin bedeuten, die Aufbereitung der geforderten Daten dauert Monate.
Bradley hatte Glück im Unglück: Seine Universität, die University of Massachussetts, setzte ihre Rechtsabteilung ein, um ihn zu verteidigen. Aber seine beiden Mitarbeiter arbeiteten an Universitäten in konservativen Bundesstaaten und mussten weitgehend für sich selbst kämpfen.
Das Verfahren gegen Ray Bradley und sein Team verlief im Sand, Untersuchungen sprachen sie von jeglichem Fehlverhalten frei. Aber eine alte Geschichte ist dies mitnichten: Die Abgeordneten Smith, Inhofe und Rohrabacher sind noch im Amt. Lamar Smith etwa präsidiert das Wissenschaftskommitee des Repräsentantenhauses, er hat viele weitere Personen vorgeladen. Smith hat über 600'000 Dollar Wahlunterstützung von der Öl- und Kohleindustrie erhalten.
Gerichtsklagen gegen Klimaschutzmassnahmen
Der nun designierte Chef der US-Umweltbehörde, Scott Pruitt, ist Teil desselben Netzwerks. Auch er nutzte als Justizminister von Oklahoma Gerichtsklagen, um gegen Klimaschutzmassnahmen der Regierung Obama vorzugehen. Vertreter der Industrie durften gar seine offiziellen Stellungnahmen zum Thema schreiben.
Daher also die Panikgefühle, die in Bradley nach der Wahl von Donald Trump aufkamen. Aber nur kurze Zeit: «Ich werde mir keinen Maulkorb umbinden lassen.» Über 2000 Forscher haben einen offenen Brief an Trump geschrieben, in dem sie verlangen, die Wissenschaft müsse ernst genommen werden. Natürlich hat Ray Bradley ihn unterschrieben.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 10.12.2016, 12:40 Uhr.