Mit bäuerlicher Romantik wie zu Gotthelfs Zeiten hat der Alltag auf einem modernen Landwirtschaftsbetrieb nicht mehr viel zu tun. Zwar ist die Bindung zwischen Mensch und Tier nach wie vor eng, aber ohne massive technische Unterstützung ist heutzutage kein rentables Arbeiten mehr möglich.
Die «Doppelpunkt»-Reportage auf einem grossen Betrieb im Bernbiet zeigt: Fällt die Hightech-Unterstützung plötzlich aus, wird es in den Ställen schnell dramatisch.
- Kälbchen hängen nicht mehr an den Zitzen ihrer Muttertiere, sondern an den Schläuchen des Milchautomaten.
- Die 120 Kühe werden bis zu zehn Mal täglich von einem Futterroboter versorgt.
- Pro Tag verbraucht eine Kuh gut 100 Liter Wasser.
- Die prallen Euter der Kühe werden von einem vollautomatischen Melkroboter geleert. Den besuchen die Tiere selbstständig zwei bis vier Mal pro Tag und geben dabei gut 30 Liter Milch.
- Die Milch wird automatisch analysiert und fliesst in einen Milchtank, der auf 4 °C gekühlt ist. Alle zwei Tage wird der volle Tank mit einem Lastwagen abgeholt.
- Der Futter- und Melkstand jeder einzelnen Kuh wird in einem zentralen Computer erfasst und gesteuert. Treten Probleme auf, wird ein Alarm auf das Smartphone des Bauern abgesetzt. Über das Smartphone lässt sich die Programmierung der Roboter bei Bedarf anpassen. Auch die Kommunikation mit den Mitarbeitern erfolgt zu einem guten Teil via Natel.
- Im Schweinestall sorgt eine Bodenheizung im Ferkelnest für angenehme 30 Grad. Eine Zwangslüftung stellt sicher, dass genügend Sauerstoff in den Stall gelangt.
Ohne Strom stellen Milchautomat, Futterroboter und Wasserversorgung den Betrieb ein. Der Mistschaber steht still, an das Schweinefutter im Silo ist selbst mit Gewalt kein Herankommen mehr.
Im Schweinestall erfrieren die Ferkel – oder sie ersticken gemeinsam mit den älteren Tieren, weil nicht mehr genügend Sauerstoff in den Stall gelangt.
Bleibt der Strom länger weg, wird die Milch im Tank warm und verdirbt, die Euter der Tiere werden voller und praller – 120 Kühe von Hand zu melken ist ein Ding der Unmöglichkeit. Vom traumatischen Erlebnis erholen sich die überlebenden Tiere nie mehr so recht und werden künftig weniger Milch geben.
Landwirte sind kaum vorbereitet
Was würde ein Blackout für meinen Betrieb bedeuten? Mit dieser Frage haben sich laut Schätzung des Bauernverbands vielleicht 20 Prozent der Landwirte schon einmal auseinandergesetzt. Die meisten vertrauen auf das gewohnte Funktionieren der Infrastruktur hierzulande und darauf, dass sich dann schon eine Lösung findet.
Kritische Stimmen wie die der Bäuerin Eva Kollmann, die sich als Lehrerin und Projektleiterin mit Risiken in der Landwirtschaft befasst, warnen vor dem Prinzip Hoffnung: Um sich vor den Folgen eines Blackouts zu wappnen, seien zig Schnittstellen mit Lieferanten, Detailhändlern etc. zu berücksichtigen. Und man müsse sich rechtzeitig ein Netzwerk aufbauen. Vor der Krise, denn während der Krise ist es zu spät.