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Sexroboter – mehr als nur ein Objekt?
Aus Kultur Extras vom 02.05.2018.
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Sex mit Robotern Mit Samantha zum programmierten Höhepunkt

Sex mit Maschinen ist mehr als nur ein Fetisch. Welche Fragen stellen sich, wenn der Mensch in Zukunft Roboter begehrt?

«Ahhh, ohhh», stöhnt eine sanfte, aber erregte Frauenstimme. «Uuuuh, ooooh» – die Sexlaute werden lauter und kulminieren in einem satten, eindeutigen Orgasmusgestöhne. Nichts Besonderes denkt man, im Zeitalter, wo Pornografie auf jedem Smartphone lauert.

Doch den Orgasmus hatte nicht ein Mensch, sondern ein Sexroboter der neuesten Generation. Sie heisst Samantha und ist mit einer üppigen Oberweite, Schmolllippen und einer naturgetreu nachgebildeten Silikonvagina ausgestattet.

Sexpuppen Leben einhauchen

Zu Besuch im Sexroboter-Atelier von Dr. Sergi Santos in Barcelona, dem Schöpfer von Samantha: «Hier drin steckt die ganze Intelligenz», sagt Santos, während er den Kopf des Sexroboters montiert. Santos ist promovierter Elektroingenieur und hat früher im Bereich Nanotechnologie geforscht. Heute braucht er sein Wissen, um Silikonpuppen eine Art Leben einzuhauchen.

«Mein Ausgangspunkt war ein Computermodell, das Emotionen und Gefühle simulieren kann», erklärt Santos. Nun ist er dabei, sein Emotionsmodell und die Silikon-Sexpuppen zu verschmelzen. Die Sexroboter baut er in Heimarbeit, die Programmierung der künstlichen Intelligenz übernimmt er selbst.

Mit Robotern Prostitution bekämpfen

Aber gibt es überhaupt eine Nachfrage nach Sexrobotern? Die wenigen Studien, die es dazu gibt, zeigen unterschiedliche, aber signifikante Resultate. «Je nach Umfrage können 10 bis 40 Prozent aller Männer in Europa sich vorstellen, mit einem Roboter Sex zu haben», sagt Thomas Beschorner, Ethikprofessor an der Universität St. Gallen (HSG).

Beschorner ist überzeugt, dass Digitalisierung und Robotik vor der Sexualität nicht haltmachen werden. «Die Umfragen zeigen, dass Sex mit Robotern mehr als nur ein Fetisch von Verrückten ist», sagt der Ethiker und erläutert, wie ambivalent das Thema in Fachkreisen derzeit diskutiert wird.

Eine Silikonpuppe im blauen kleid liegt in einer begierigen, aber verkrampften Position auf dem Tisch.
Legende: Üppige Oberweite, Wespentaille, rosa Schmollmund: Die Schönheit eines Sexroboters entspricht gängigen Klischees. Synthea Amatus

Die Befürworter von Sexrobotern sagen, es sei ein normales Bedürfnis, das nachgefragt wird. Wieso solle man diese Nachfrage nicht befriedigen? Erste Sexpuppen-Bordelle oder Escort Services gibt es schon.

Ferner wird vermutet, dass mit Sexrobotern die Prostitution bekämpft werden könnte. «Ich bin ziemlich sicher, dass es Roboter-Prostituierte geben wird», meint der HSG-Professor.

Kampagne gegen Sexroboter

Gleichzeitig gibt es eine massive Gegenbewegung. Professor Kathleen Richardson, Professorin für Ethik an der Universität Leicester, leitet eine Kampagne gegen Sexroboter. «Für mich sind Menschen keine Objekte. Menschen sind nicht austauschbar durch Maschinen», sagte Richardson an einer Konferenz.

Auch Roboterpsychologin Martina Mara vom Futurelab in Linz steht der Entwicklung von Sexrobotern kritisch gegenüber. «Die Sexroboter, die momentan auf dem Markt sind, sind sehr stereotype Frauenfiguren.»

Eine Silikonpuppe vor türkisem Hintergrund. Das Gesicht der Puppe ist noch nicht montiert.
Legende: Lieber blond oder brunette? Ein Sexroboter kann den eigenen Vorlieben angepasst werden. Synthea Amatus

So würden veraltete Rollenbilder wieder in den Schlafzimmern landen und eine Objektifizierung der Frau stattfinden. «Diese Sexroboter sind eine Art Wunscherfüllungsobjekte. Sie führen das aus, was ihnen befohlen wird. Der Sexroboter ist immer eine Art Sklavin», sagt Mara.

Lust auf Neues dank Sexroboter

Die Entwicklung des Sexroboters von Sergi Santos steht erst am Anfang. Der Roboter reagiert auf verbale Reize und auf Berührungen.

Er hat Sensoren über den ganzen Körper verteilt. Die Sensordaten werden im künstlichen Hirn verarbeitet und die Sexmaschine nimmt verschiedene Emotionszustände an – je nachdem, wo und wie man sie berührt. Diese bewegen sich zwischen freundlich, romantisch und sexy.

Um den Sexroboter Samantha zum Höhepunkt zu bringen, muss man ihn stimulieren. «Sie hat einen G-Punkt-Sensor», sagt Santos. «Sie fühlt Penetration.» Er steckt seinen Finger in die künstliche Vagina. Samantha stöhnt ihren künstlichen Orgasmus.

Lust auf Experimente

Was passiert, wenn Sex mit Robotern die Gesellschaft durchdringt? Wie verändert sich dadurch unsere Sexualität, wenn Roboter uns im Bett konkurrenzieren?

Das Pro-Lager glaubt, dass die Menschen durch Sexroboter sexuell experimentierfreudiger werden könnten. Ein heterosexueller Mann könnte etwa mit einem männlichen Sexroboter schlafen.

Eine Silikonpuppe im schwarzen Negligé liegt auf einem Bett. Synthea Amatus
Legende: Befürworter der Sexroboter glauben, dass Leute durch die Maschinen sexuell experimentierfreudiger würden. Synthea Amatus

Kritiker befürchten die Gefahr einer Verrohung der Sitten, die die menschliche Sexualität negativ beeinflussen könnte. Wer seinen Sexroboter etwa vergewaltige, könnte sich daran gewöhnen und dann Gewalt gegen Menschen ausüben.

«Tatort» gucken mit dem Sexroboter

Wird der Mensch Gefühle für diese Maschinen entwickeln können? Thomas Beschorner vermutet, dass wir schnell eine persönliche Beziehung zu diesen Geräten aufbauen werden: «Wir werden ihnen Namen geben, sie hübsch kleiden und vielleicht sonntags mit ihnen auf der Couch sitzen und ‹Tatort› gucken.»

Als Vergleich führt er unsere emotionale Beziehung zu Haustieren an. Noch vor 100 Jahren waren Haustiere Nutztiere. Damals wurden sie wie Objekte behandelt.

«Heute kochen wir für unsere Hunde», sagt Beschorner. «Im Winter bekommen sie ein Mäntelchen, und für manche sind sie ein Kinderersatz.» Dasselbe könnte bei den Robotern auch passieren.

Brauchen Roboter Rechte?

In der aktuellen Diskussion geht es vor allem darum, was Roboter dürfen und was nicht. Dabei geht es in erster Linie um den Schutz des Menschen.

«Man sollte aber auch über eine nicht anthropozentrische Ethik nachdenken», schlägt Beschorner vor. «Etwa darüber, welche Rechte wir Roboter zubilligen können, genauso wie wir heute auch Tieren gewisse Rechte zubilligen».

Eine Silikonpuppe in Form einer Frau, die langes, dunkles Haar, volle Lippen und grosse Busen hat.
Legende: Ein Roboter hat immer Lust: Bringen programmierte Silikonpuppen unsere Sexualität durcheinander? Synthea Amatus

Die vielbeachtete TV-Serie «Westworld» behandelt diese Thematik. Sie spielt in einer Art Westernpark der Zukunft. Dort können Menschen, meistens Männer, ihren Fantasien freien Lauf lassen und die für sie kreierten, täuschend echt aussehenden, humanoiden Roboter erschiessen oder vergewaltigen.

Solidarisch mit der Maschine

«‹Westworld› spielt mit diesem Übergang, wo Roboter langsam menschliche Züge annehmen», sagt Thomas Beschorner. Ein Schlüsselmoment in der Serie ist, als eine Roboterfrau wegen eines Programmierfehlers nicht wie gewohnt am Ende des Tages alle Daten gelöscht bekommt, sondern sich an das Erlebte erinnert und eine Art Bewusstsein entwickelt.

Irgendwann fragt sie sich, ob ihre Welt die wahre Welt ist. Schliesslich will sie ausbrechen. Mit der Zeit solidarisiert sich der Zuschauer mit den missbrauchten Robotern.

Rechte für Roboter – klingt das so abwegig? Roboterpsychologin Martina Mara hat dazu eine dezidierte Meinung. «Roboter verdienen keine Rechte. Das lehne ich ganz klar ab.»

Diese Frage stelle sich erst, wenn wir Maschinen schaffen, die eine Art Bewusstsein oder Gefühle entwickeln können, aber davon seien wir noch meilenweit entfernt, meint Mara.

Sexroboter für 6000 Euro

Sexroboter-Ingenieur Sergi Santos arbeitet bereits an einem künstlichen Bewusstsein. Ein Roboter, der Gefühle simulieren kann. Dabei ist ein Sexroboter für Santos erst der Anfang.

Ihn interessiert, was uns Menschen ausmacht, und wie man das nachbilden kann. «Mich interessiert die Frage: Wer bin ich? Warum weiss ich, dass ich ich bin?» Santos ist der Überzeugung, dass sein Roboter eine gute – oder sogar die bessere – Alternative zu einem menschlichen Sexualpartner ist.

Und das für einen Preis von 6000 Euro, so viel kostet seine Sexpuppe. Schliesslich erklärt Santos: «Wenn meine Frau mich verlassen würde, wäre ich mit Samantha zusammen.» Der Roboter gebe ihm die Gesellschaft, die er brauche.

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