SRF: War das Vermittlungsangebot zwischen den Israeli und den Palästinensern ehrlich gemeint, oder wollte Ägypten die Hamas über den Tisch ziehen?
Astrid Frefel: Ägyptens neuer Präsident Abdel Fatah al-Sisi würde sich gerne mit einem Verhandlungserfolg schmücken und die alte Rolle als Vermittler zurückgewinnen. In einem ersten Anlauf hat er sich aber ganz offensichtlich verrechnet. Mit der Zustimmung sämtlicher arabischer Staaten, von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und sicher auch Israels wollte man Hamas an den Verhandlungstisch zwingen. Das hat vorerst nicht geklappt.
Wie ist denn die Stimmung in der ägyptischen Gesellschaft diesem Konflikt gegenüber?
Sie verändert sich mit jedem Tag und mit jedem weiteren Toten wächst die Solidarität. Beim Ausbruch des Konfliktes waren die Medien und auch die Bevölkerung ungewöhnlich zurückhaltend. Da spiegelt sich die innenpolitische Situation wieder. Der Hass auf die Muslimbrüder überträgt sich auf die Schwesterorganisation. Aber es gab in den letzten Tagen die ersten Solidaritätskundgebungen mit den Palästinensern. Und die Zeitungen haben Titel wie Genozid oder Massaker gesetzt. Es ist zu befürchten, dass die Muslimbrüder versuchen werden, die Situation für sich auszunutzen.
Das heisst, Ägypten kommt längerfristig nicht darum herum, Israel und der Hamas ein wirkliches Vermittlungsangebot zu machen?
Auf alle Fälle, denn Hamas ist ein Teil dieses gesamten Komplexes. Die Blockade, wie sie zur Zeit ist, wird immer wieder zu militärischen Eskalationen führen. Letztlich ist das eine Gefahr für die nationale Sicherheit Ägyptens. Alle früheren Regierungen auch die unter Mubarak hatten gute Verhandlungsdrähte zu der Hamas und zwar, obwohl Mubarak auf der Linie der Fatah war.
Präsident al-Sisis Haltung ist in verschiedenen Bereichen immer noch nicht ganz klar. Wie sieht es bei der Palästinenserfrage aus?
Das war tatsächlich eine der wenigen Fragen, zu denen er sich konkret geäussert hat, und auch festgelegt hat. Kurz nach seiner Wahl sagte er, die Palästinenserfrage sei seine aussenpolitische Priorität, und entsprechend wird von ihm erwartet, dass er aktiv wird und aktiv etwas zu einer langfristigen Lösung beiträgt.
Kann er das?
Das ist eine sehr komplexe Frage, denn es spielen ganz viele Faktoren eine Rolle: die nationale Sicherheit, die innenpolitische Stimmung, das Verhältnis zu den USA. Tatsache ist, dass man es über viele Jahrzehnte nicht geschafft hat, eine Lösung zu finden. Die Situation in Gaza, die ja seit sechs oder sieben Jahren so ist, stellt ihn vor eine ganz neue Herausforderung.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.