Nichts ist komplizierter, als die AfD-Vorsitzende zu treffen. Ich sitze bereits im Flieger nach Leipzig und weiss immer noch nicht, wann und wo ich ihr begegnen werde. Die Dame in ihrem Pressebüro nimmt nur selten das Telefon ab. AfD und Öffentlichkeitsarbeit – ein schwieriges Feld.
Es geht peinlich los
Am vergangenen Freitag sitze ich dann um elf Uhr in einem Café bei der Thomaskirche in Leipzig. Ich bespreche alles mit Kameramann und Tontechniker, warne davor, sich in politische Diskussionen verwickeln zu lassen und bitte sie, möglichst nett und behutsam mit der Dame umzugehen, die die Presse eigentlich nicht mag. Dann kommt Frauke Petry die Treppe runter, grüsst freundlich – und ich erröte. Sie hat alles mitbekommen, was wir besprochen haben.
Frauke Petry ist eine aufgeschlossene, freundliche, modern gekleidete Frau. Sie wirkt ganz anders als die meisten ihrer Wähler – Verlierer einer globalisierten Welt, die sich vor Veränderung fürchten. Mehrmals bläut sie uns ein, dass sie nur wenig Zeit hat, beantwortet aber unsere Fragen mit einem Redeschwall, der kaum enden will.
Spaziergang durch den Park «zu gefährlich»
Wir gehen mit ihr durch die Leipziger Innenstadt, stellen Fragen im Gehen. Ihr Lebenspartner, Marcus Prezell, ebenfalls AfD-Leitfigur, begleitet uns. In einem Park bricht er die Dreharbeiten ab. «Zu gefährlich, zu viele Linksautonome.» Wir gehen weiter. Während des Interviews zeigt eine junge Frau der AfD-Chefin den Mittelfinger, tanzt um sie herum, geht nicht weg. Eine peinliche Situation, aber wir drehen weiter. «Ich bekomme ständig Morddrohungen», sagt Petry.
Petry sieht sich als Opfer von einer Mehrheit in Deutschland, die ihr nicht richtig zuhöre. Bei unserer Umfrage in Leipzig sagt uns die grosse Mehrheit, dass sie Frauke Petry gemein und gefährlich findet. Viele empören sich, weil sie darauf hingewiesen hat, das Gesetz sehe vor, man dürfe an der Grenze auf Ausländer schiessen. Obwohl Petry beteuert, keine Absicht damit verfolgt zu haben. Zumindest keine böse.
Besuch bei der Auns
Ich frage die AfD-Frontfrau, warum sie unbedingt die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild einführen will. Ihr Vorbild, die Schweiz, zählt rund 25 Prozent Ausländer. Das sei ja wohl nicht in ihrem Sinne. «Zählen Sie die Deutschen denn auch zu den Ausländern?», fragt Petry unverblümt. Mir fehlen die Worte.
Am Tag darauf sind wir in Interlaken an einer Veranstaltung der Auns. Petry ist dort Ehrengast. Sie kommt mit dem Helikopter, begleitet von Bodyguards und Staatsschützern. Etwas übertrieben, wenn man bedenkt, dass Frau Petry am Vortag ohne Begleitschutz mit mir durch Leipzig gegangen ist.
Petry hört nicht auf, die Schweiz vor den Auns-Leuten zu loben. Alle sind verzückt, Auns-Präsident Lukas Reimann macht eine leichte Verbeugung vor ihr. Beide sind der Ansicht, dass das Volk nach rechts rücken würde, wenn es mehr zu sagen hätte. Und beide glauben, dass die national-konservativen Parteien in Europa zusammenspannen sollten, um ihre Ziele zu erreichen.
Als sie mit dem Helikopter abhebt, wabern dicke Wolken über den Bergen, es regnet immer stärker. Frauke Petry hätte eigentlich noch Zeit, um vor dem Rückflug durch Zürich zu gehen. «Ich verzichte darauf», sagt sie. «Ich habe die falschen Schuhe an.»