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International Afghanistans First Lady Rula Ghani tritt ins Rampenlicht

Afghanische Frauen stehen am Rand und sind unterdrückt – so das gängige Bild. Rula Ghani, die neue First Lady, will dagegen kämpfen und Frauen und Kindern mehr Rechte geben. Sie erinnert sich an ein Afghanistan vor den Kriegen – als das Land florierte, und vieles anders war.

Erst nach vier Sicherheitskontrollen, Spürhunden und Metalldetektoren öffnen sich die Tore zum Palast. Dahinter liegen blühende Gärten, sauber gefegte Strassen und das Haus des Präsidenten – und seiner Gattin. Mitten in Kabul, hinter hohen Mauern, lebt und arbeitet die First Lady Rula Ghani.

Hinaus komme sie selten, sagt sie bei einer Tasse Grüntee und gezuckerten Mandeln: «Die meiste Zeit verbringe ich hier. Wegen der Sicherheitslage liegen keine grossen Shoppingtouren drin.» Wenn sie in den Supermarkt wolle, müsse das Sicherheitsteam eine halbe Stunde lang alles absuchen. «Dann wird der Markt für mich gesperrt, nur damit ich was einkaufen kann. Wer will das schon?»

In ihrem Alter, sagt die 67-Jährige, müsse sie auch nicht mehr ständig unterwegs sein. Und doch versteht sie ihre Rolle völlig anders als die letzte Präsidenten-Gattin, die regelrecht unsichtbar war. Selbstbewusst und aufrecht sitzt sie da, ihr Kopftuch ist von den grauen Haaren auf die Schultern gerutscht: «Ich will zuhören und vermitteln und ich will die Probleme aufnehmen, mit denen die Leute zu mir kommen. Für sie müssen wir Lösungen finden.»

First Lady will mehr als repräsentieren

Nach den ersten zwei Amtswochen ihres Mannes habe sie genug Bücher gelesen und fern gesehen, und war des Nichtstuns satt. Deshalb eröffnete die studierte Politikwissenschaftlerin, die seit 40 Jahren mit Ashraf Ghani verheiratet ist, ihr eigenes Büro im Palast. Jetzt hat sie acht Mitarbeiter, aber kein Budget. Täglich kommen die Bittsteller aus den Provinzen des Landes, viele von ihnen sind Frauen.

Audio
Neues Selbstbewusstsein für afghanische Frauen
aus Echo der Zeit vom 19.05.2015. Bild: Karin Wenger. SRF
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 16 Sekunden.

«Diese Frauen kommen zu mir und sagen: Wir brauchen Spitäler und Ärzte und wir brauchen Lehrerinnen für unsere Mädchen. Denn in unseren Schulen gibt es nur Männer, die unterrichten, da können wir unsere Mädchen nicht hinschicken.» Sie versuche, fährt Rula Ghani fort, sie mit den richtigen Leuten zu vernetzen und die Anliegen in ihren Reden aufzunehmen: «Ich hoffe, dass sie jemand hört», fügt sie an.

Wer jedoch glaubt, dass die Präsidentengattin beim Abendessen ihren Mann bei Regierungsgeschäften berät, der irrt: «Sie glauben wirklich, dass wir abends gemeinsam essen? Nein, das passiert selten. Mein Mann arbeitet 16 Stunden am Tag. Wenn wir uns treffen, dann höchstens für 20 Minuten und dann diskutieren wir über Allgemeines.»

Natürlich weiss Rula Ghani, wie stark ihr Mann bereits in der Kritik steht. Viele Afghanen sind unzufrieden, dass es Monate gedauert hat, bis sich der Präsident und Abdullah Abdullah auf ein Kabinett einigen konnten. Die Regierungsgeschäfte blieben in dieser Zeit liegen, die Sicherheitslage verschlechterte sich, weil das Land ohne klare Sicherheitsstrategie blieb. Viele Lehrer blieben zu Hause, weil sie nicht bezahlt wurden.

«Wir hatten keine Regierung, vieles lag brach», meint Ghani und zeigt Verständnis für die Unzufriedenheit im Volk.

Wir müssen geduldig sein, es ist ein langsamer Prozess, aber jetzt gehen wir in die richtige Richtung.

Das sage sie den Leuten jeweils, wenn sie zu ihr kämen und sich beklagten, meint Ghani.

Die libanesisch-stämmige Christin in Kabul

Kritik gibt es aber nicht nur an ihrem Mann, sondern auch an ihr. Rula Ghani ist nicht Muslimin und nicht gebürtige Afghanin. Sie stammt aus einer maronitisch-christlichen Familie aus dem Libanon. Ihren Mann lernte sie in den 1970er-Jahren an der Amerikanischen Universität in Beirut kennen. Nach der Hochzeit zog das Paar nach Kabul, wo Ashraf Ghani an der Universität lehrte.

Später gingen sie in die USA, damit ihr Mann an der Columbia Universität sein Doktorat in Anthropologie abschliessen konnte. Doch aus dem geplanten kurzen Studienaufenthalt wurden dreissig Jahre in den USA.

Die Ghanis und ihre zwei Kinder blieben dem Afghanistan der russischen Besatzung, der Bürgerkriegsjahre und der Taliban-Regierung fern. Sie kehrten erst mit dem Einmarsch der Nato-Truppen nach Afghanistan zurück.

Karin Wenger

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Karin Wenger ist seit Frühling 2016 Südostasien-Korrespondentin von SRF in Bangkok. Sie berichtet über Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Burma, Vietnam und weitere südostasiatische Länder. Wenger lebte zuvor sechs Jahre lang in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Früher berichtete sie als freie Journalistin aus dem Nahen Osten.

Rula Ghani kenne das Land nicht, sei eine israelische Spionin und wolle Musliminnen konvertieren, hagelte es Kritik von konservativen Mullahs und politischen Gegnern. Sie ignoriert die Kritiker. Ihr libanesischer Hintergrund sei kein Hindernis, sondern eine Hilfe: «Weil ich Libanesin bin, spreche ich Arabisch und kann den Koran in der Originalsprache lesen», sagt sie. Sie sei zwar Christin, kenne sich aber bestens im Islam aus und nutze Koran-Zitate in ihren Reden.

Im Koran gebe es viel Progressives, sagt Ghani. «Zum Beispiel heisst es im Koran, dass Frauen zwischen den Geburten zweier Kinder dreissig Monate Pause haben sollten. Das ist eine gute Form der Familienplanung, abgesegnet durch den Koran. Das hilft den Frauen und ihrer Gesundheit.»

Sie sei Frauenrechtlerin, aber es stimme nicht, dass Afghanistan eines der frauenfeindlichsten Länder sei, meint sie resolut. «Ich lebte im Westen; viele Frauen dort haben kein gutes Leben.» Und sie erinnert sich:

Afghanistan war ein florierendes Land vor dem Bürgerkrieg. Frauen arbeiteten – auch in der Familie meines Mannes. Wir müssen die Leute an diese afghanische Kultur erinnern.

Viel Frauen waren waren Lehrerinnen, Radiomoderatorinnen, Historikerinnen mit Doktortitel und eine war Direktorin eines Spitals, sagt Ghani. Vielleicht idealisiere sie die Situation jetzt, aber Frauen würden nicht eingesperrt wie heute. «Wir müssen die Leute an die afghanische Kultur erinnern, so dass sie sagen: stimmt, so könnte Afghanistan auch heute sein.»

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