SRF News: Russlands Präsident Wladimir Putin und Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras haben über eine engere Zusammenarbeit, über eine mögliche Gaspipeline durch Griechenland und über allfällige russische Kredite gesprochen. Ist das aus griechischer Sicht nicht enttäuschend vage?
Jens Bastian: In bestimmten Bereichen gibt es Klarheit: Beispielsweise haben beide an der Medienkonferenz deutlich gemacht, dass Griechenland keine Kreditanfrage an Russland gestellt hat und Russland diese auch nicht geben würde. Auf der anderen Seite bleibt manches vage, so zum Beispiel der Ausbau der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder.
Russische Finanzhilfen für das überschuldete Griechenland waren kein Thema in Moskau. Aber das ist doch das, was Griechenland bräuchte?
In der Tat. Denn aus eigener Kraft kann Griechenland nicht mehr genug Geld generieren. Russland steht da allerdings nicht als Partner zur Verfügung, das ist heute noch einmal klar geworden. Bei der Lösung dieser wirtschaftlichen Probleme orientiert sich Griechenland an Europa und an der Zusammenarbeit mit den Partnern der Eurozone.
Bei der Lösung seiner wirtschaftlichen Probleme orientiert sich Griechenland an Europa.
Putin sagt, Griechenland könnte zum wichtigsten Gastransitland in der EU werden. Welches Potential hat das für Griechenland?
Ein erhebliches. Griechenland versucht seit Jahren vor allem in der regionalen Zusammenarbeit mit Zypern und neuerdings auch mit Israel eine regionale Energieinfrastruktur aufzubauen. Es wurden erhebliche Gasvorkommen identifiziert. Es geht um den Bau einer Pipeline, die kaspisches Flüssiggas nach Westeuropa bringen soll. Transitländer sind dabei unter anderem die Türkei und Griechenland.
Tsipras hat vor seinem Besuch gesagt, die Sanktionen der EU gegen Moskau führten in die Sackgasse. Ist es klug, einerseits mit Putin zu flirten und andererseits die EU zu verärgern?
Ich glaube nicht, dass Tsipras mit Putin geflirtet hat. Dass es auf europäischer Ebene Irritationen gibt, ist nachvollziehbar. Vor allem weil wir wissen, dass Putin in den vergangenen Monaten immer wieder versucht hatte, seinen Einfluss innerhalb der EU auszuweiten, um die Sanktionswand gegen Russland aufzubrechen. Aber Griechenland ist kein Sonderfall, es ist kein Trojanisches Pferd, mit dessen Hilfe Putin die EU aufmischen könnte. Es gibt auch andere Staaten wie Ungarn, die Slowakei, Polen, Tschechien, Italien und nicht zuletzt Deutschland, die eine besondere Beziehung zu Russland pflegen.
Es gibt auch andere Staaten wie Italien und Deutschland, die eine besondere Beziehung zu Russland pflegen.
An den griechischen Finanzmärkten hat sich Griechenland heute mit kurzfristigen Staatspapieren über eine Milliarde Euro beschafft. Wieviel Luft gibt das dem Land?
Es gibt dem Land kaum Luft zum Atmen, denn es handelt sich um die Refinanzierung existierender, kurzfristiger Schatztitel von sechs Monaten. Das heisst, um diese zu begleichen, wurden neue gegeben. Die Käufer sind vor allem griechische Banken und Versicherungen, Käufer am heimischen Markt also. Den Zugang zu den internationalen Märkten ist zurzeit versperrt.
Etwas mehr als zwei Monate sind Tspiras und seine Regierung nun an der Macht. Aber bei der Bewältigung der Schuldenkrise sind sie kaum einen Schritt weiter gekommen.
Ja, auch zwei Monate später haben wir Stagnation. Angesichts der Voraussetzungen, mit denen Griechenland zu kämpfen hat, bedeutet das sogar Rückschritt. Seitens der europäischen Partner und internationalen Kreditgebern herrscht zudem Irritation, weil immer noch keine konstruktive, dialogorientierte Arbeitsform gefunden worden ist. Es müssen Spielregeln und eine gemeinsame Sprache definiert werden.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.