Trotz der Barbarei der Terrormilizen des islamischen Staates blieben klare Worte und Taten aus der Türkei in Richtung IS in den letzten Monaten fast komplett aus. Daran hat sich auch nach der Freilassung von mehr als 40 türkischen Geiseln nur wenig geändert.
Für SRF-Korrespondent Ulrich Tilgner ist das keine Überraschung. Denn «wenn man sich die Ziele beider Seiten anschaut, dann gibt es da ganz klare Überschneidungen.» Allerdings, eine offene Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem IS gebe es nicht.
Dafür aber jede Menge Toleranz und mehr als nur gelegentliches Wegschauen seitens der türkischen Behörden. Es ist zum Beispiel ein offenes Geheimnis, dass verwundete IS-Kämpfer in türkischen Spitälern gesund gepflegt werden. Genauso, wie die Einreise vieler Terrorkämpfer nach Syrien über die Türkei.
Kurden in Syrien sind Ankara ein Dorn im Auge
«Die Türkei ist schon seit 2011 eines der Haupttransitländer für IS-Kämpfer aus Westeuropa und lange Zeit wurde das vom Westen auch geduldet», sagt der Schweizer Türkei-Experte Hans-Lukas Kieser.
Die Gründe für diese Duldung seien zwar vielschichtiger Natur. Im Kern gehe es aber nur um eines: die Kurdenfrage. «Der IS kommt Ankara gerade Recht, um der aufstrebenden kurdischen Selbstverwaltung in Syrien etwas entgegenzusetzen.»
Dem pflichtet auch Ulrich Tilgner bei. «Zwischen beiden Seiten gibt es schon seit Monaten eine stille Übereinkunft.» Siegt der IS, dann wäre «das Experiment der kurdischen Selbstverwaltung zumindest in Syrien gescheitert und das würde der Türkei erheblich in die Hände spielen».
Ein Übergreifen des Experiments würde enormen Zündstoff für die Türkei in sich bergen, so Tilgner. «Man nutzt also auf türkischer Seite den Radikalismus der IS-Milizen für seine Ziele.»
«Türkischer Einmarsch in Syrien eher unwahrscheinlich»
Doch der internationale Druck zwingt die Türkei mittlerweile dazu, die passive Haltung aufzugeben. «Ich glaube, dass man sich offiziell auf die Seite des Westens stellen wird», sagt Hans-Lukas Kieser. Damit brüskiere man die Kurden nicht und könne etwas zur Bekämpfung des IS beitragen.
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«Ich glaube nicht, dass man in Syrien einmarschieren wird», glaubt auch Ulrich Tilgner. Langfristig würde das dem internationalen Türkei-Bild schaden und zudem den Prozess der politischen Annäherung zwischen den türkischen Kurden und Ankara zum Erliegen bringen.
Optimismus hält Tilgner allerdings dennoch für verfrüht. «Ich gehe zwar davon aus, dass das Parlament ein militärisches Eingreifen absegnen wird, Erdogan aber Kraft seines Amtes den Beschluss verzögern wird.» Tilgners Fazit fällt deshalb bitter aus: «Das halb abgekartete Spiel von IS und Türkei droht weiterzugehen.»